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Momente der Liebeserkenntnis: Malena Ernman (als Béatrice) und Bernard Richter (als Bénédict).

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Wien - So viel Zeit muss sein: Mitten im Koloraturrausch legt Fräulein Hero eine kleine Kunstpause ein, um ihre Lippen rötlich nachzuschminken. Auch muss die eine oder andere Sekunde verschwendet werden, um das Ergebnis im Spiegel zu begutachten. Hero (Christiane Karg glänzt mit delikat-wendigen Momenten; nur ein paar anfängliche Troubles in der Tiefe) ist eine konsum- und lebenslustige Dame in froher Hochzeitserwartung.

Und: Sie wird zum genau gezeichneten Gegenpol jener herben Lady, um die es bei Hector Berlioz' Oper Béatrice et Bénédict eigentlich geht. Diese Béatrice, ein freiheitsbewusster, skeptischer Lesewurm, setzt seine Umwelt gerne der Wortfolter aus. Besonders Kriegsheimkehrer Bénédict (über einen leichten, klaren und schönen Tenor verfügt Bernhard Richter) spornt die Dame, zu der Berlioz von Shakespeares Viel Lärm um nichts inspiriert wurde, zu ironischen Verwünschungen an, denen das Opfer indes mit eleganter Eloquenz Paroli bietet.

Regisseur Kasper Holten gibt der fulminanten Malena Ernman, die vokal nicht nur zum kultivierten "Aufdrehen" befähigt ist, vielmehr bei Bedarf auch den fahl-vibratolosen Tonfall beherrscht, viel Raum, als Béatrice ihren Welt- und Eheekel herauszutoben und sich nach und nach doch einzugestehen, dass es sie amourös erwischt hat.

Bis es so weit ist, bis Béatrice ihrem Bénédict - nicht ohne schönster Verhöhnungen - konventionell in die Ehearme fällt, darf es allerdings dauern. Holten baut mit einer auch als Filmleinwand eingesetzten Mauer (Bühnenbild: Es Devlin) mitten durch die Bühne ja auch eine Trennlinie zwischen männlicher und weiblicher Welt, die er lebendig abbildet. Und da er ein Freund der Drehbühne ist, gelingt ihm ein szenisches Ringelspiel, das schnelle Perspektivenwechsel ebenso ermöglicht wie das simultane Ablaufen kontrastierender Szenen.

Zudem verflüchtigt sich der lähmende Eindruck des Herumstehens von Figuren. Bewegen sie sich nicht selbst, werden sie eben von der Bühne bewegt. Belebend auch das Videoelement (Finn Ross): Passend zu jeder Situation wird auf der Trennwand düstere Wolkenpoesie evoziert oder das gerade gezeigte Milieu filmisch ausgeschmückt. Und so es um die Darstellung der Konflikte zwischen Béatrice und ihrem Bénédict geht, verstrickt sie die Regie gar in ein Tennismatch, bei dem vor allem Béatrices Gnadenlosigkeit zum Vorschein kommt.

Jedenfalls: Holden ist eine elegante, leichtfüßige und atmosphärisch dichte Humorversion geglückt, die auch Rücksicht nimmt auf die schon auch vorhandenen Momente der Melancholie, wie am Ende des ersten Aktes. Wobei: So, wie bei dieser Musik vielfach das durch rhythmische Unberechenbarkeit erweckte Heiter-Sprunghafte der Gefühle dominiert, so birgt auch diese Regiearbeit in ihrem Kern ein mildes Lächeln. Da auch einiges an Dialogen gestrichen wurde, kann sich die Story (mit Musikmitteln) zusätzlich beschleunigt entfalten.

Lustiger Komponist

Natürlich dieser Slapstick-Moment: Der Komponist des bestellten Hochzeitsliedes, Somarone, darf hier wie ein ins Stück gefallener Gag mit dem Arnold Schönberg Chor herumgranteln, um dem Zustand hysterischer Unzufriedenheit (witzig Miklos Sebestyen) zu verfallen wie sich auch mit Dirigent Leo Hussain auszutauschen.

Selbiger beherrscht die flotte Gangart; das RSO-Orchester klingt bei aller Verve dann aber mitunter zu zackig. Unter Hussain erfüllt es auch in den melancholischen Momenten nicht viele Wünsche nach romantischer Klangsinnlichkeit und Poesie. Vielleicht wirkte jedoch die Hörposition (3. Reihe rechts, sehr nahe am Schlagwerk) auf den Eindruck etwas verfälschend. Der Applaus immerhin war klar hörbar.  (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 19.4.2013)