Die größte Autoshow Chinas ist zu einer der wichtigsten internationalen Messen aufgestiegen. Europäische Premium-Hersteller haben das erkannt, die Hausherren nicht minder

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Europa, das war einmal. Zumindest was den Automarkt betrifft. Im Schatten diverser Krisen befinden sich die Zulassungszahlen seit Jahren im Tiefflug, im März gingen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um über zehn Prozent zurück. Glücklich jene europäischen Hersteller, die sich schon früh am Hoffnungsmarkt China engagiert haben und so das satte Minus auspendeln können. Zwar sind im sogenannten Reich der Mitte die Zeiten der fantastischen Zuwachsraten vorbei - seit Jahresbeginn legte der Absatz um verhältnismäßig beschauliche 17 Prozent zu -, der mittlerweile größte Automarkt der Welt hat sich dennoch als Pacemaker der Branche etabliert.

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Die "Auto Shanghai" ist ergo längst mehr als eine mit China-Ware vollgeräumte Messe, die von den Europäern mit ein paar Sondermodellen bedient wird. Nicht bei einem Markt, der vergangenes Jahr 13 Millionen Autos inhaliert hat. Abseits der Masse öffnet sich vor allem für die deutschen Hersteller eine lukrative Absatzregion für Premium-Modelle (plus 12 Prozent jährlich bis 2020). Dementsprechend brummen die chinesischen Fertigungslinien von BMW, Daimler und Audi. Aber auch Früheinsteiger Volkswagen, in China knapp nach GM die Nummer zwei, hat sich für Schanghai etwas Neues einfallen lassen, um angesichts von 111 Neuheiten und 69 Studien Aufmerksamkeit zu generieren.

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Die CrossBlue Coupé genannte Studie soll einen Ausblick auf die Zukunft der kompakten SUV-Baureihe namens Tiguan geben. Die soll demnächst zu einer kompletten Familie ausgebaut werden, die Aufgabe des CrossBlue ist es, eine Art aufgebockten Coupé-Look zu etablieren. Dank des üppigen Formats - 4,9 Meter Länge - könnte sich aber auch eine Perspektive in Richtung des größeren Touareg ergeben.

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Zu erkennen ist eine humorbefreit gezeichnet Front, der stramme Linien in den Flanken sekundieren. Das freut VW-Boss Martin Winterkorn. Technisch vertraut der Crossblaue auf den Modularen Querbaukasten (MQB) und den zurzeit bei Concept Cars obligaten Standard-Antrieb namens Plugin-Hybrid, konkret auf eine Systemleistung von 415 PS, die ein V6-Turbo-Benziner gemeinsam mit zwei Elektromotoren abliefern. Beim Spritverbrauch gibt's einen schönen, gleichsam virtuellen NEFZ-Wert: 3,0 Liter.

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Am markanten Ende verweisen eine neue Leuchten-Grafik sowie die schräg gestellte Heckscheibe auf den dynamisierten Anspruch. Im Innenraum des Fünfsitzers wird Lounge-Ambiente versprochen. Was von dem selbstbewussten Auftritt in der Großserie übrig bleibt, ist noch ungewiss, fix ist jedoch, dass der Sport-Tiguan auf einige Mitbewerber treffen wird.

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Konkret den erstmals in Schanghai vor Publikum gezeigten BMW X4, der sich auf 4,6 Meter Länge verteilt und die Nummer mit der abfallenden Dachlinie noch ernsthafter durchzieht als der CrossBlue. Hier geht's zu einer detallierten Zusammenschau der X4-Werte.

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Mercedes hingegen gibt es eine Idee kleiner und zeigt in China erstmals den BMW-X1-Konkurrenten namens GLA. Das Concept Car mit den besonderen Laser-Scheinwerfern soll endlich einen Pflock bei den kleinen Kompakt-SUVs einschlagen. Zu beziehen ab Frühjahr 2014, mehr zur GLA-Studie gibt es hier.

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Erledigt hat sich übrigens die Serienversion des Citroën Wild Rubis, zumindest in Europa. Der Schanghai-Debütant, der die noble DS-Linie des französischen Herstellers um ein SUV mit Oberklasse-Ambitionen bereichern soll, wird ausschließlich in China an den Start kommen. Was uns bedauerlicherweise entgeht, ist hier nachzulesen.

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Ebenfalls dem chinesischen Interessenten bleibt die Langversion der unlängst aufwendig überarbeiteten Mercedes E-Klasse vorbehalten. Die früher vor allem im arabischen Raum populäre Mittelklasse-Variante hört nun auf folgende Kennwerte: plus 14 Zentimeter, 5,02 Meter Länge.

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Ebenfalls gestretcht präsentiert sich in Schanghai der ohnehin wenig dezente Panamera. Der rundum aufgefrischte Leistungsträger (verfügbar ab Juli) erhält in der Executive-Version 15 Zentimeter mehr Radstand, was vor allem den Fond-Passagieren zugutekommt. Schmückt Turbo und 4S. Downsizing ist hingegen der Auftrag des neuen Dreiliter-V6 mit 420 PS, der den 4,8-Liter-V8 beerbt. Eine Art ökologisches Signal wurde in China ebenfalls gesetzt: Panamera S E-Hybrid. Das Plugin-System führt einen E-Antrieb mit 95 PS und einen 3-Liter-Ottomotor mit 333 PS zusammen, eine Boost-Funktion beschleunigt den Riegel in 5,5 Sekunden auf Tempo 100.

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Weniger der Umweltgedanke, mehr schon die Feierlaune steht bei Lamborghini im Mittelpunkt. Der italienische Hersteller gibt sich zurzeit das 50-jährige Firmenjubiläum. Das Geschenk an sich selbst trägt den schönen Namen Aventador LP 720-4 50 Anniversario und soll nicht zuletzt die Happy Few in China becircen.

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Schöne Namensgebungen und kein Ende: Das eigens kreierte Gelb des Interieurs ist der Farbe des Wappens von Sant'Agata Bolognese entnommen und nennt sich "Giallo Quercus".

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Der zart an Front und Heck adaptierte, auf 100 Stück limitierte Straßenfeger hat einen kleinen Leistungspunch von 20 PS erhalten und bringt nun 720 PS auf die Räder. Keine Änderung indes beim respektablen 0-100-km/h-Wert des Aventador: 2,9 Sekunden.

Foto: lamborghini

Nächste gute Nachricht aus dem an Frohbotschaften so armen Italien: Debüt für den Maserati Ghibli. Der 4,97 Meter lange Fünftürer tritt gegen die leistungsstarken Ausgaben von Audi A6 und BMW 5er an und soll für 50.000 Einheiten jährlich gut sein. Allradantrieb ist für den Schönling obligat, zwei V6-Turbobenziner (330, 410 PS) sorgen für einen standesgemäßen An- und Auftritt.

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Wohl gelitten wird in Europa vor allem der erste Diesel-Antrieb in der Geschichte Maseratis sein, ein 3-Liter-V6 mit 275 PS. Zwei Soundgeneratoren im Auspuff sollen die Hardcore-Groupies der Marke friedlich stimmen.

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Weiters herausragend bei der Auto Shanghai: das New Buick Riviera Concept. General Motors, in China ähnlich erfolgreich wie VW, hat mit der Marke offenbar Größeres vor. Bislang sind bloß die Flügeltüren der Hybridantriebs-Studie groß. Die Highlights: Vierrad-Lenkung, elektromagnetische Dämpfer, per Induktion aufladbare Batterie.

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Sozial gibt sich hingegen Nissan - zumindest wenn es um das Aufgabengebiet der Studie Friend-ME geht. Das Concept Car mit den gegenläufig angeschlagenen Türen soll vor allem junge chinesische Männer ansprechen, die sich und ihre gute Laune in einem kräftig gezeichneten Viersitzer ausführen wollen. Hohe Bildschirmdichte im Innenraum ist obligat (Social Media!), über Liegesitzfunktionalitäten ist noch nichts bekannt.

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Nicht minder fleißig sind die chinesischen Hersteller. Schließlich nutzen sie die Autoshow, um ihre Novitäten ins rechte, vor allem verkaufsförderne Licht zu rücken. Die Zeiten, in denen die Gastgeber bestenfalls für burleske Billigware gut waren, sind übrigens vorbei. Dank zahlreicher Joint-Ventures mit europäischen, japanischen und amerikanischen Herstellern sind die hierzulande meist unbekannten Fabrikate zumindest technisch im 21. Jahrhundert angekommen. Kopismus, Wiederverwertung ausgelaufener Modelle und Stilblüten gehören dennoch zum Inventar der Messehallen.

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Rustikal gibt sich Dongfeng mit dem EQ2050, einer aufgepeppten Version des hinlänglich bekannten Hummer H1. Der Lastwagen- und Busspezialist ist mittlerweile zweitgrößter Pkw-Hersteller der Volksrepublik. Die Wurzeln des Unternehmens sind erkennbar.

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Hawtai Motor, ein ehemaliger Saab-Interessent, ist mit dem "Bolgheri" am Heimatmarkt blendend im Geschäft. Unter dem Kleid des SUVs werkt ein Hyundai Santa Fe, den Hawtei seit 2005 in Lizenz gebaut hat. Von hinten sieht der Wagen übrigens sehr wie der alte Porsche Cayenne aus.

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Die Idee vom Viertürer mit der Coupé-Silhouette ist ebenfalls im Reich der Mitte angekommen. Nennt sich KC Concept und kommt aus dem nicht unbekannten Hause namens Geely. Der Volvo-Eigentümer ist im Auslandsgeschäft ein Aktivposten, gut möglich, dass die Serienversion der 4,7-Meter-Limousine auch einmal in Europa anlandet.

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Sachlicher geht es JAC Motors mit diesem kompakten Stufenheck für die Basis an. Der in Hefei beheimatete Staatsbetrieb ist für seine Kleintransporter und Lkws bekannt, seit kurzem erprobt man sich auch an Elektromobilen, ebenfalls im Kleid einer kleinen Limousine.

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Elektro ist auch das Thema bei Jinhua Youngman Vehicle, konkret dem Detroit Electric SP:01. Vor sechs Jahren sicherte sich der chinesische Hersteller die Namensrechte an dem Ende der 1930er verblichenen amerikanischen Hersteller. Der SP:01 ist ein Wiedergänger der Lotus Elise, im Ergebnis ist also ein China-Tesla anzuzeigen. 201 PS beschleunigen den Debütanten in 3,7 Sekunden auf Tempo 100.

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Apropos Sport: Diese Dame sinniert vermutlich über der Leistung des Vulcano, einer Studie der italienischen Design-Schmiede Icona. Unter der Haube werkt ein V12 mit 900 PS, den Claudio Lombardi, Motorenentwickler des Rallye-Geschwürs Delta S4, zu verantworten hat. Die Leistungsdaten laut Beipacktext: Top-Speed 350 km/h, 0-200 km/h in unter zehn Sekunden. Muss den Alltagsbeweis erst erbringen.

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Bei Great Wall, jener Marke, die sich per Fabrik in Bulgarien bereits in Europa verankert hat, geht es bodenständiger zu. Debüt des H7 Concept. Das, was China unter einem Premium-SUV versteht. Der Lifestyler soll unter dem Markennamen Haval auch am Alten Kontinent nach neuen Kunden suchen. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 22.4.2013)

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Auto Shanghai 2013

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