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Die Debatte um die "richtige" Ernährung beschäftigt vor allem die Eltern. Die Kinder freuen sich, wenn es schmeckt.

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Seit Florian seine Nachmittage im Hort verbringt, hat er zugenommen. Behauptet seine Mutter. Sie könne schwören, dass sich vor einem halben Jahr noch kein Bäuchlein unter seinem T-Shirt gewölbt hat. "Schuld ist das Essen im Hort", sagt sie. Es sei zu fettig, zu viel Fleisch, zu viel Weißmehl. Florian ist sieben, und ihm taugt das Essen. Gestern hat es Eiernockerl gegeben, erzählt er, als Jause dann Würstel. Und außerdem habe er dazwischen eh eine Banane gegessen. Wegen der Gesundheit. Seine Mutter lächelt matt.

Einmal hat sie schon im Hort angerufen und interveniert. "Weil es zwei, drei Mal in der Woche Fleisch gibt." Doch den Betreibern der privaten Einrichtung im 14. Wiener Gemeindebezirk seien die Hände gebunden. "Sie sagen, dass die meisten Eltern dieses Essen verlangen. Weil ihre Kinder nichts anderes essen würden." Das bestätigt man im Hort: "Wir haben schon alles Mögliche probiert: Dinkelauflauf, Gemüselasagne, wirklich feine Sachen. Viele Kinder essen das einfach nicht. Sie beschweren sich zuhause und die Eltern rufen uns dann an."

Buffet statt gemeinsame Mahlzeit

Ernährung im Kindergarten ist ein heißes Eisen. Einige private Einrichtungen in Niederösterreich und Wien sind mittlerweile dazu übergegangen, gemeinsame Mahlzeiten aufzulösen und den Kindern den ganzen Tag über eine Art Buffet anzubieten, wo sie sich jederzeit selbst bedienen können. Seither ist die Langzeitdiskussion über die "richtige Kost" um die umstrittene Frage des richtigen Zeitpunkts erweitert.

Manche sehen schon das Ende der Esskultur nahen, wenn Kinder sich den ganzen Tag nach Lust und Laune bedienen können und gemeinsame Mahlzeiten verschwinden. Ernährungswissenschafterinnen wie die Deutsche Christine Brombach betonen, wie wichtig gemeinsame Mahlzeiten für Kinder sind - um soziales Verhalten, Rücksichtnahme und natürliche Sättigung zu lernen. Mit der Förderung des sozialen Verhaltens argumentieren allerdings auch die Fans der Buffets im Kindergarten. Außerdem werde dadurch die Wahrnehmung von Hunger und Sättigung geschult: Wenn die Kinder jederzeit essen können, würden sie lernen, sich nur dann zu nehmen, wenn sie hungrig sind.

Beide Seiten mögen gute und weniger gute Argumente haben - meist entscheidet über die Wahl des Kindergartens ohnehin recht Profanes wie Wohnortnähe oder die Frage, in welcher Einrichtung das Kind noch einen Platz bekommen hat.

Früh übt sich

Wer jetzt "Luxussorgen!" ruft, dem könnte man entgegnen, dass die frühe Ernährungsprägung Folgen für das ganze Leben hat. Ob ein Kind früh vitaminreiche Kost bekommt, hat Einfluss auf seine Vitalität, seine Konzentrationsfähigkeit, seine Gesundheit - und zwar längerfristig. "Eigentlich müsste man schon vor der Kindheit mit der Ernährungserziehung beginnen", sagt die Wiener Ernährungswissenschafterin Ingrid Kiefer. Es sei wichtig, dass Kinder die Vielfalt der Lebensmittel und Geschmäcker möglichst früh kennenlernen. Nur so würden sie später gerne und freiwillig zu Gemüse und Obst greifen. Und zwar nicht nur zu Kartoffeln und Ananas.

Wer jetzt "Elitenproblem!" krakeelt, übersieht, dass öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen ausgleichen sollten, was familiäre Prägung nicht schafft. Wenn Kinder in sozial schwachen, bildungsfernen Milieus nicht die Möglichkeit bekommen, sich früh gesund zu ernähren, oder wenn Eltern unter ökonomischem Druck andere Sorgen haben als nährstoffmäßig optimierte Kost für den Nachwuchs - dann muss die öffentliche Hand diesen Ausgleich schaffen, um allen Kindern gleiche Chancen zu ermöglichen.

Eltern lernen von Kindern

Im besten Fall lernen die Eltern dann etwas von den Kindern. Etwa, wie man auf einfache Weise gesunde Mahlzeiten zubereitet, die nicht teuer sind. Der Wiener Verein Multika geht diesen Weg. Der Verein betreibt derzeit zehn Kindergärten für 250 Kinder in Wien, in zuwanderungsstarken Bezirken wie dem 15. und dem 17., entsprechend durchmischt ist das Publikum. Betreut wird zweisprachig. Viele Kulturen, Milieus und Bedürfnisse treffen hier aufeinander. Essen müssen alle. "Das pädagogische Konzept, das vor allem auf eine zweisprachige Erziehung setzt, ist nicht vollständig, wenn man nicht auf die Ernährung achtet", sagt Geschäftsführerin Alissa Baumgartner-Capatu.

Österreicher im Kindergarten

Deswegen hat Multika jetzt eine Initiative in Zusammenarbeit mit Kochkapazunder Helmut Österreicher gestartet. Unter seiner Anleitung werden Menüpläne erstellt, die dann in der eigenen Küche täglich zubereitet werden. Derzeit werden die Multika-Kindergärten noch von Lieferanten beliefert - wie so gut wie alle städtischen Kindergärten in Wien. Geplant sind auch Kochkurse für Eltern und Ausflüge zu Bauernhöfen und Gärtnereien mit den Kindern.

Die Multika-Kindergärten sind die ersten, die sich an dem Projekt beteiligen, andere Kindergärten sollen folgen. Baumgartner-Capatu will über das Projekt auch die Eltern erreichen. Sie sollen erleben, wie einfach es ist, gesund und gut zu essen. Helmut Österreicher hat die Rezepte schon mit Kindergartenkindern gemeinsam gekocht: "Die Kinder haben große Freude am Produkt", sagt er, "sie sind sehr kreativ". Der gesundheitliche Aspekt sei ihnen in diesem Alter noch egal. Aber es interessiere sie bereits, warum etwas gut schmeckt. (lima, derStandard.at, 24.4.2013)