Reine Handarbeit: Karl Schnabel bei der frühjährlichen Weingartenarbeit - hier beim Entfernen des Rebschnitts.

Foto: Heribert Corn, Matthias Cremer

Bekömmlichkeit ist das, was Schnabel seinen Weinen mitgeben möchte. Sie sind zart, tiefgehend und hochelegant - keine Wuchtbrummer, die bei Verkostungen abräumen.

Foto: Heribert Corn, Matthias Cremer

Rotweinwinzer sind in der Südsteiermark eine rare Spezies - und das mit gutem Grund. Wenn man, wie Karl Schnabel, auch noch Blaufränkisch im Sausal macht, werden Weinfans dennoch neugierig: Die Unvereinbarkeit scheint einfach zu groß: Blaufränkisch ist etwas Warmes, Pannonisches.

Das Sausal hingegen ist die nördlichste Ecke der Südsteiermark. Gemeinhin ist hier frisch, fruchtig, steirisch angesagt - und das in Weiß. In diesem widersprüchlichen Setting bewirtschaften Schnabel und seine Frau Eva fünf Hektar Rebflächen in Kitzeck und Höch. Und sie züchten Hinterwälderrinder, eine alte Rasse, die wegen ihres niedrigen Körperbaus sehr geländegängig ist.

Handarbeit pur

In Schnabels Weinen steckt ungewöhnlich viel Handarbeit. Er verzichtet auf Traktoren, entfernt Unkraut händisch mit der Karsthaue und mäht den Bewuchs zwischen den Rebzeilen mit der Handsense. In Randlagen und an den Böschungen weiden die Tiere, ihr Dung dient als Kompost. Vinifiziert wird in offenen Holzbottichen, ohne Weinbehandlungsmittel: weder Reinzuchthefen noch Filtration, auch kein Schwefel, der wegen seiner antibakteriellen Wirkung und der Fähigkeit, Sauerstoff zu binden, lange als unverzichtbar galt.

In jüngerer Zeit gibt es immer mehr Winzer, die wie Schnabel auf der Suche nach möglichst unverfälschtem Wein auf Zugaben, auch von Schwefel, verzichten: "Schwefel stoppt den Wein. Je mehr ich an Lebensmitteln herumtue, desto instabiler werden sie - was nur noch mehr Schwefelgabe bedingt." Die Weine reifen in 227-Liter-Burgunderfässern.

Dass man im Land des Sauvignon Blanc, des Gelben Muskatellers und des Welschrieslings ausgerechnet auf Blaufränkisch, Pinot Noir und Zweigelt setzt, fällt zunächst unter "unverständlich", wird aber aus Schnabels Mund nachvollziehbar: "Weil Rotwein einfach meines ist. Und Pinot Noir ist der Größte von allen." Pinot Noir bringt generell im kühlem Klima beste Ergebnisse "ergo warum nicht auch im Sausal?". Blaufränkisch, dem das größte Potenzial unter den einheimischen Roten zugeschrieben wird, komme mit seiner Eigenheit, Terroir auszudrücken, Schnabels Liebling am nächsten und sei schon "vor Zweigelt in der Steiermark gewesen". Blaufränkisch sieht er als "Traumsorte" für einen Biobetrieb, weil er so robust ist.

"Zurückgekehrten Hofflüchtling"

Schnabel beschreibt sich als "zurückgekehrten Hofflüchtling", der nach dem Studium der Agrarökonomie in Wien und eineinhalb Jahren im französischen Burgund 1999 zurück in die Südsteiermark kam. Dann begann er den Hof seiner Eltern, damals mehrseitig verpachtet, wieder "zusammenzubauen". 2001 brachte er den ersten Jahrgang in die Flasche, dazumal noch aus zugekauften Trauben. Das Ergebnis lehrte ihn, dass er seinen Wein nur auf eigenen Flächen machen will.

Schnabels Faible für Rotweine kommt auch das spezielle Terroir des Sausal zugute. Während die Südsteiermark auf Kalk ruht, ist das Sausal eine Schieferinsel. Dass Blaufränkisch auf Schiefer beste Ergebnisse bringt, zeigte sich im Burgenland. Die Weingärten im Sausal sind spektakulär steil, die Hügel steigen bis auf 690 Meter Seehöhe an.

Schnabels Flächen liegen auf ca. 550 Meter, eine Höhenlage mit hoher Luftfeuchtigkeit und warmen, manchmal tropischen Temperaturen, da "die warme Adrialuft in dieser Höhe auf die Kälte im Tal ,aufgleitet'. Tropisch wird's, wenn das ganze Wetter an der Koralpe hängen bleibt und eine Art Dampfküche entsteht."

Bauer sein oder nicht sein

Der Hang zur Frankofonie wurde im Gymnasium geweckt. Während der Studienzeit in Wien lebte Schnabel seine Vorlieben aus, entdeckte Rotwein und in der Folge Pinot Noir. 1997 und 1998 arbeitete er wegen dieser Verehrung für Pinot "einfach so, ohne Praktikantenprogramm" mehr als ein Jahr bei Louis Latour in Beaune. "Der ist zwar Großproduzent, arbeitet aber sehr traditionell. Und ich habe auch anderswo im Burgund viel gesehen und mitgenommen." Nach der Rückkehr war auch klar, dass Biodynamie - im Burgund bereits damals ein großes Thema - auch für ihn der einzig mögliche Weg sein würde.

Den altmodischen Begriff der "Bekömmlichkeit" verwendet Schnabel gern. Dieses Wort trifft auch auf den Stil seiner Weine zu: Sie sind zart, tiefgehend und hochelegant bei mittelkräftigem Körperbau, keine Wuchtbrummer, die in Verkostungen durch Auffälligkeit abräumen. Ob solche Weine auch gut reifen, wird von selbsternannten Traditionalisten gern infrage gestellt. Eine Antwort gibt der Blaufränkisch 2007, der von bezaubernder Frische ist und der erste war, den Schnabel unter "seinen" Bedingungen keltern konnte.

Vergrößern möchte Schnabel, "wenn die Söhne vielleicht einsteigen. Bei der derzeitigen Größe kann ich noch alles selbst arbeiten." In seiner Leidenschaft für das Winzerhandwerk wurde er vom Vater geprägt, den er als "geradezu fanatischen Bauern und Weinbauern" beschreibt, der sich deshalb auch mit der Hochtechnisierung während der Kunstdünger-Ära der 1970er schwertat. "Er meinte, Bauer kann man nicht werden, das ist man - oder eben nicht." Karl Schnabel ist es. (Luzia Schrampf, Rondo, DER STANDARD, 03.05.2013)