Vor der Universität Wien tummeln sich Menschenmassen in allen Farben des Regenbogens. Orange und rote Hütten leuchten neben einem grünen Wohnwagen, mobilere Stände in grellem Gelb versperren den Weg zum Haupteingang. Eine Farbe, die in dem Gewusel der Menge jedoch fehlt, ist das Lila der Fraktion Engagierter Studierender (FEST). Man muss die Uni-Newcomer, die sich lediglich mit angesteckten Buttons zu erkennen geben, in dem Wahlkampfrummel vor dem Hauptgebäude regelrecht suchen.

Die Listenkandidatur an der Universität ist Neuland für die junge Fraktion. Vor vier Jahren wurden die Fachhochschulen (FH) erstmals in die Vertretungsstruktur der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) eingegliedert. Die per Personenwahl bestimmten Vertreter der FHs schlossen sich zum Klub der FEST zusammen. Mittlerweile finden sich aber auch Studierende der Pädagogischen Hochschulen (PHs) und Kunstuniversitäten unter den elf FEST-Mandataren im Studierendenparlament.

Spitzenkandidatin ohne Mandat

Heuer kandidiert die FEST erstmals an einer Universität: der Uni Wien. Ein weiteres Novum der ÖH-Wahl ist, dass Anna Lena Bankel als einzige Spitzenkandidatin keinen Sitz in der Bundesvertretung erreichen kann. Sie studiert an der Universität für angewandte Kunst, wo die FEST nicht antritt. "Als Generalsekretärin bräuchte ich aber auch kein Mandat", sagt Bankel, deren Fraktion seit vier Jahren in der Exekutive ist.

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Auf der Unirampe vor dem Hauptgebäude wartet ein Grüppchen Studierende, die den Eindruck erwecken, als hätten sie nicht allzu viel mit dem Wahlkampf um sie herum zu tun. Unter ihnen ist Tobias Dörler (26), Teil des Spitzenkandidatenteams der FEST. "Anna Lena gib noch ein Interview, das hat sich leider verzögert", erklärt er das Warten. Im Arkadenhof der Uni Wien zupft die 30-jährige Bankel an einer Kirsche, die an ihrer Kette baumelt, und lächelt in die Kamera. Im Anschluss kommt sie auf ihr Team zu: "Sie haben sich leider eine Stunde verspätet", entschuldigt sich Bankel.

500 Euro Wahlkampfbudget

Dörler packt die mitgebrachten Materialien der ÖH-Bundesvertretung aus seinem Rucksack, eigene Flyer haben die FEST-Aktivisten momentan nicht zum Verteilen. "Unser Wahlkampfbudget beträgt 500 Euro, damit müssen wir einmal auskommen", sagt Bankel. Das Geld kommt von den FEST-Mitgliedern selbst. "Wir haben keine Partei im Hintergrund, die uns finanziert. Politische Unabhängigkeit ist auch einer unserer wichtigsten Grundsätze", betont sie. Der Wahlkampf der FEST sieht anders aus als das Treiben vor der Uni. Mit den ÖH-Materialien werden Studierende angesprochen, die sich im Garten der Sonne hingeben.

Kunst und Kultur für die ÖH

"Ein wichtiges Anliegen von uns ist es, ein kunst- und kulturpolitisches Referat auf der ÖH zu schaffen", sagt Bankel, die selbst Künstlerisches Lehramt studiert. Kunst und Kultur würden an der ÖH nur nebenher mitlaufen. Das neue Referat soll sich kritisch mit Kultur und Gegenkultur sowie kultureller Bildung auseinandersetzen. Außerdem sollen dort Broschüren, Plakaten und Ähnliches gestaltet werden.

Genau um diese geht es der FEST in ihren Gesprächen mit Studierenden. "Was kennt ihr von diesen Materialien überhaupt, was gefällt euch daran?", fragt Bankel in die Runde. Die Studierenden geben gerne Feedback, sagen, was sie optisch anspricht und was sie eher nicht einpacken würden. Dass der Uni-Wahlkampf neu für die Mitglieder der FEST ist, merken auch die Studierenden.

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Studentin Anna kannte einige der präsentierten Materialien, die FEST ist ihr neu: "Ich dachte zuerst, dass sie eine Umfrage machen", sagt die Studentin. "Ich hatte bis jetzt keine Ahnung, wofür die FEST steht. Aber jetzt weiß ich, dass sie Studierende mehr einbinden wollen, und Kultur scheint ihnen wichtig zu sein." Ob die FEST die Stimme der 23-Jährigen bekommen wird, ist noch unklar, sie sei noch nicht genügend informiert und will ihre Entscheidung erst kurz vor der Wahl fällen.

Begeistert vom direkten Wahlkampf der FEST sind Lenard und Julian: "Wir wurden erstmals einbezogen. Dass sie Studierende mehr in die Arbeit integrieren wollen, ist gut." In Frage kommt die FEST für die beiden jedoch nicht – sie sind nur "auf Besuch" im Arkadenhof, und an der Medizinischen Universität Wien steht die FEST nicht am Wahlzettel.

Keine Studierenden zweiter Klasse

Auch Fahriye Canal gehört zum Wahlkampfteam der FEST. Die 20-jährige Politikwissenschaftsstudentin engagiert sich etwa seit einem Monat. Zur FEST kam sie mit einem politischen Anliegen: "Die Diskriminierung von ausländischen Studierenden ist immer noch ein großes Problem. Einerseits haben sie noch immer kein passives Wahlrecht bei den ÖH-Wahlen, und dann kommen noch die doppelten Studiengebühren dazu. Die sind einfach nicht tragbar." Dass es keine "Studierenden zweiter Klasse" mehr geben soll, ist eine Hauptforderung der FEST.

Dabei wünschen sie sich vor allem eine einheitliche gesetzliche Lage für den tertiären Sektor. "Als einzige Fraktion, die sich schon seit Jahren in allen drei Hochschulsektoren engagiert, setzen wir uns auch für eine einheitliche Vertretungsstruktur auf Unis, PHs und FHs ein", sagt Spitzenkandidatin Bankel.

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Nachdem die drei etwa eine Stunde mit Studierendengruppen der Uni Wien diskutiert haben, wollen Bankel und Dörler noch an ihre eigene Uni fahren. Mit der Straßenbahn geht es zur Angewandten. Die FEST wird dort niemand wählen – sie kandidieren schließlich gar nicht. Die Meinung der Kunststudierenden ist ihnen trotzdem wichtig.

Die Fahrt wird dazu genutzt, über die politische Situation an den Unis zu diskutieren: "Die Politisierung der Studierenden hat stark abgenommen, es werden kaum neue Leute aktiv. Man muss sich überlegen, wie man diese ansprechen kann", meint Dörler. Schuld sei die Verschulung durch den Bologna-Prozess. "Das Bachelor-Master-System trägt seine Früchte, die Studierenden haben keine Zeit mehr", meint Bankel.

Suche nach der Kunst

An der Angewandten ist es totenstill, die Klassen wirken ausgestorben. "Wo sind die ganzen Studierenden – heute war sicher irgendetwas, das ich verpasst habe", meint Bankel. Sie selbst ist im Wahlkampf derart eingespannt, dass sie nur noch selten an der Uni ist. Zwei Vorlesungen besucht sie dieses Semester. Im Innenhof der Uni treffen sie eine kleine Gruppe. Bankel packt ihr iPad aus, um zwischen den Plakaten der letzten beiden ÖH-Jahre hin und her zu sliden. An der Kunstuni wird über die Frage nach der Einbindung von Studierenden im Wunschreferat gesprochen. "Für uns ist allerdings selbstverständlich, dass nicht nur Kunststudierende sich gestalterisch betätigen könnten, sondern dass alle Künstler sein können", betont Bankel.

Schnell wechselt das Thema jedoch zu den Aufnahmeprüfungen, die hier alle absolvieren mussten. Bankel durchlief selbst schon mehrfach Zugangsbeschränkungen: Nach dem Schulabschluss begann sie ein Jus-Studium in London und wechselte dann zur Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien, wo sie 2011 auch Vorsitzende der Universitätsvertretung wurde. Aber auch das war nicht das Richtige, und so wechselte sie schlussendlich an die Angewandte.

Kritische Köpfe an den Kunstunis

"Wenn man an einer Kunstuni angenommen wird, ist man erst einmal so dankbar, dass man überhaupt studieren darf", erzählt sie. Darum sei es "extrem wichtig, dass es kritische Köpfe gibt, die sich engagieren". Die eigene Erfahrung mit Zugangsbeschränkungen verfestigt für die FEST-Mitglieder die Forderung nach einem freien Hochschulzugang: "Es kommt auf die Tagesverfassung an und ist immer nur eine Momentaufnahme, das ist nicht fair." (Oona Kroisleitner, derStandard.at, 12.5.2013)