Die Schranne entsteht jeden Donnerstag in aller Herrgottsfrüh mitten in der Salzburger Altstadt und lässt andere Wochenmärkte alt aussehen

Es ist kurz vor halb sechs Uhr am ersten Donnerstag im Mai. Josef Breuer steht auf dem Parkplatz hinter der Andräkirche in Salzburg. Er setzt gerade an, das System der Lkws und Minivans mit Anhänger, die sich nach einer geheimen Choreografie auf dem Platz einfädeln, zu erklären. Aber er kommt nicht dazu. Das Mobiltelefon läutet ununterbrochen: "Sie wissen ja, vor 7 Uhr kann ich Ihnen leider nicht zusagen, ob heute ein Platz frei ist. Bitte rufen Sie um 7 noch einmal an."

Josef Breuer, Tierarzt, ist Leiter des Salzburger Marktamtes und damit auch oberster Chef der Schranne. Die Schranne, das ist der größte Wochenmarkt Österreichs, direkt gegenüber dem Schloss Mirabell, rund um die Andräkirche. Sie wird jeden Donnerstag im Morgengrauen aufgebaut. 190 Standln stehen hier im besten Fall: "Mit den Schwammerl-Standln und wenn alle Landparteien kommen, sind wir voll", sagt Breuer unverhohlen stolz, wenn einmal nicht das Telefon läutet. Die Warteliste für die Schranne umfasst 250 bis 300 Betriebe. Fluktuation gibt es aber kaum. An guten, sprich: trockenen Tagen besuchen rund 9.000 Leute den Markt – und kaufen ein. Die Schranne ist Sehnsuchtsort, weil ihr kein Markt in Österreich in ihrer Vielfalt das Grünzeug reichen kann. Und sie ist zwar keine Goldgrube, dazu ist das Marktfahren zu sehr Knochenjob, aber ein rentables Geschäft für alle, die hier ihren Platz verteidigen.

Donnerstäglicher Blick vom Schloss Mirabell auf die Andräkirche und die rundherum aufgefädelten Marktstände der Salzburger Schranne. (Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at)
Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Die meisten tun das seit Jahrzehnten. Einen Schrannen- Standplatz gibt man nicht auf. Ab 4 Uhr früh wird aufgebaut, die ersten Kundschaften stehen um 6 mit riesigen Einkaufstaschen erwartungsvoll vor den Ständen. Wer erst ab 10 kommt, ist nicht von hier. Dann nämlich sind die besten Produkte längst weg. Das Gedränge zwischen den Ständen ist am späten Vormittag ähnlich wie am Naschmarkt.

Der Wiener Touristenmagnet und der Brunnenmarkt sind zwar von der Fläche her noch größer als die Schranne, unterscheiden sich aber in drei Punkten wesentlich von ihr: 1. Die Schranne ist kein permanenter Markt, sie entsteht jeden Donnerstag neu. 2. Es gibt hier auch gewerbliche Marktfahrer, aber der Großteil sind Produzenten: Gemüsebauern aus der Stadt Salzburg und dem Umland, Metzger, Käsemacher, Bäcker bis ins Innviertel und nach Bayern und nur ganz wenige Non-Food- Anbieter wie den Bürstenbinder oder den ungarischen Korbbinder. 3. und vielleicht am wichtigsten: Der Anteil an Gastronomie-Standln wird bewusst sehr klein gehalten. Es gibt ein paar Würstelstandln (wo man "Frische" isst, wie Münchner Weißwürste, aber dünner und ohne Petersil), einen Backhendlstand, der schon um fünf Uhr früh die Übriggebliebenen verköstigt, und bei Fisch Krieg eine legendäre Fischsuppe. Ein Geheimtipp ist das Leberkässemmerl im Bio-Eck bei Familie Hainz aus Bürmoos: Warmer Bio-Leberkäs aus eigener Erzeugung im Bio-Handsemmerl vom Itzlinger.

Kistenstandln mit Klapptisch

Der Hauptzweck der Schranne ist nicht das Flanieren und Jausnen, sondern der Wocheneinkauf direkt beim Produzenten, bei der Produzentin des Vertrauens. Was Bestseller-Autor Michael Pollan ("Das Omnivoren- Dilemma") mit "Shake the hand that feeds you" fordert, wird hier seit 1906 praktiziert. Ein Geheimnis dieses Erfolges sind die von Breuer erwähnten "Landparteien", auch "Kistenstandln" genannt: meist Bäuerinnen in Pension, die im Ausgedinge leben und dort an den Tagen vor der Schranne Buchteln und Pofesen backen, Brunnenkresse und Brennnesseln pflücken und ihren Klapptisch mit handbeschrifteten Saftflaschen und Marmeladenschraubgläsern bestücken.

Wall Street und Verlängerung

Wer einen Überblick über die Schranne bekommen möchte, hat drei Möglichkeiten: sich treiben lassen (wofür ein Schrannentag nie und nimmer reicht), mit einem Schrannenprofi mitgehen – oder versuchen, das System zu verstehen. Wenn man vor der Kirche steht, dominieren einige große Gemüsestandln und Gärtnereien den Blick, darunter rechts vorn der Platzhirsch Ökohof Feldinger, der die Gemüseabteilungen der meisten Bioläden im Lande ziemlich welk aussehen lässt.

Bei Winklhofer links hinterm Würstelstand gibt es 150 Kräuter, seit heuer auch viele Wildkräuter, aus eigenem Walser Bio-Anbau. Links entlang der Kirche ist die "Wall Street" zu finden, wie sie ein Standler bezeichnet, der grinsend bedauert, seinen Wagen nicht dort stehen zu haben. Denn hier reihen sich Metzger an Metzger (so heißen die Fleischhauer in Salzburg, Anm.) und dazwischen die drei Fischstände. Etwas nach links versetzt geht die Schranne in der Hubert-Sattler-Gasse weiter. Dort finden sich gleich zu Beginn links die Bio-Käserei Höflmaier, leicht erkennbar an den riesigen Emmentalerlaiben. Hier sollte man außerdem nach dem Sauerrahm und den zwei Sorten Butter fragen, alles aus Heumilch, eh klar.

Gegenüber steht Familie Mayr vom Innviertler Wirtsbauer-Hof, Stichwort Geselchtes. Weiter hinten die zwei großen Lammfleisch-Standln Mondsee- und Tauernlamm, erster Fixpunkt vieler Frühaufsteher/ innen. Und ganz rechts hinten Zrill's Ziegenzucht, bei dem man nur einen Fehler machen kann: zu wenig Käse einzukaufen. Und hinter der Kirche in der Faberstraße stehen einige Salzburger Gemüsebauern, deren Stände sich in Akkuratesse überbieten.

Bio-Eck, frisch eingemeindet

Geht man auf der Schrannengassen-Seite wieder nach vorn, findet man ein Sammelsurium an Marktfahrern, Landparteien und Blumengärtnereien. Und seit letztem Jahr neu ist das Bio-Eck, das bis dahin gegenüber vor dem Schloss Mirabell gestanden ist. Diese Schrannenseite rechts von der Kirche wurde durch die renommierten Bio-Betriebe wie Sams (Käse, Rahm, Schichtkäse!), Hainz (Vorzeige-Metzger mit eigener Tierhaltung und Schlachtung), Itzlinger (Pionierbäcker, der langen Atem bewiesen hat) und Schmuckbauer (engagierter Gemüsebauer) deutlich aufgewertet.

Trotzdem, gibt Breuer zu, besteht auf dieser Seite der Kirche noch Verbesserungsbedarf. Fehlt sonst noch etwas auf der Schranne? Wer's mit der Vielfalt ganz genau nimmt, wird, wie häufig in Österreich, ein zu geringes saisonales Obst-Angebot bemängeln. Und auf der süßen Seite gäbe es vielleicht noch die eine oder andere Lücke neben dem traditionell-bäuerlichen Backwerk. Dass die Schranne dennoch nicht konservativ ist, zeigt sich am heurigen Projekt: Im Verlauf des Sommers soll dem herkömmlichen Plastiksackerl mit Sackerln aus Maisstärke und Jute-Tragtaschen der Kampf angesagt werden. 50 Standln sind im ersten Schritt bereits dabei. Der Bürstenmacher, der längst in Pension gehen will, kann sein Taschensortiment schon aufstocken. (Katharina Seiser, Feinkost, DER STANDARD, 23.5.2013)

Infos
Die Schranne findet jeden Donnerstagvormittag um die Andräkirche statt. Ist der Donnerstag ein Feiertag, wird der Markt am Mittwoch davor abgehalten. Am besten reist man mit großer Einkaufstasche und Obus, Haltestelle Mirabellplatz, an. Parkmöglichkeiten direkt unterm Platz in der Mirabellgarage. Infos und interaktiver Schrannenplan:

Salzburger Schranne

Der Stand von Familie Krinner (Tanzerbauer) rechts hinter der Andräkirche ist einer der ersten, der aufgebaut wird. Bereits um fünf Uhr früh könnte man hier einkaufen.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Elfriede Krinner will in Ruhe zufahren und die Ware schön herrichten: "Dann habe ich selbst auch eine Freude."

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Den Radieschen-Turm (im Bild 1 zu sehen) gibt's nur an diesem Stand, dementsprechend schnell sind die knackigen Frühlingsbotschafter aus eigenem Anbau auch ausverkauft. Typisch für die Schranne: Hier hilft auch die nächste Generation freudig mit.

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Biofischzucht Krieg
Auf die Frage, wo man den besten Fisch in Salzburg bekommt, hört man stets die gleiche Antwort: "Beim Krieg natürlich, aber beim Standl." Es gibt nämlich auch ein Fischgeschäft gleichen Namens am Hanuschplatz.

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Reinhard Krieg, der fahrende Krieg, betreibt seit 2000 in Hallwang die erste Salzburger Bio-Fischzucht mit Saiblingen und Forellen.

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Auch von den umliegenden Seen in Salzburg und Bayern kommt Top-Ware, wie der Chiemsee-Hecht (vorhergehendes Bild) und die kleinen Reinanken.

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Meeresfisch aus nachhaltiger Fischerei ist genauso im Angebot wie hausgemachte Salate, Aufstriche und Fonds.

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Greilhof
Fragt man Feinspitze nach ihrem Lieblingsstand auf der Schranne, fällt häufig der Name Greilhof. Familie Wind bietet hier ein kleines, feines Sortiment von ihrem Lungauer Bio-Bauernhof an. Allein für die dicken Würste mit 80 Prozent Rindfleisch (Mutterkuhhaltung, eigene Schlachtung) rentiert sich der Schrannenbesuch. Außerdem Bio-Rind, Bio-Schwein und steirisches Wild.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Schmuckbauer
Noch nicht so lange auf der Schranne, weil erst durch eine Pensionierung zum Standplatz gekommen, ist der Gemüsestand im Bio-Eck von Familie Bruckmoser aus Oberndorf. Die stets strahlende Juniorchefin Johanna Bruckmoser ist erst 20, der Marktstand läuft aber bereits seit einem Jahr auf sie. Gemeinsam mit der Mama bietet sie überwiegend Gemüse aus eigenem Bio-Anbau, den der Papa betreibt, an.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Theresia Lindner
Theresia Lindner ist eine der langsam weniger werdenden Landparteien oder Kistenstandlerinnen. Die 70-Jährige steht seit 40 Jahren am Eck Faberstraße/Hubert-Sattler-Gasse.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Ihre Sirupe sind ebenso bekannt und beliebt wie ihre handgestrickten Teddybären. Das Strickmuster dafür hat sie vor Jahren von einer Kundin bekommen.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

 Im Sommer gibt's hier auch Kirschen und später Hollerbeeren.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Karl Fritscher
Der Bürstenbinder steht ganz vorn links an der Ecke Rainerstraße/Hubert-Sattler-Gasse, direkt vor dem häufig frequentierten Bankomaten. Wer keine Tasche mitgebracht hat, kann sie hier bei Ingrid und Karl Fritscher kaufen. Viel interessanter sind aber die vielen Spezialbürsten aus Naturborsten (Mehlspeis-, Pilz- oder Topfbürste) und Kochlöffel aller Art. Außerdem Brot- Simperl und Buttermodel.

 

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Wirtsbauer
Seniorchef Fritz Mayr, ein Metzger vom alten Schlag, lässt das butterweiche Schwarzgeselchte von eigenen, nur mit Getreide (nicht mit Mais oder Soja) gefütterten und selbst geschlachteten Schweinen gerne kosten. Sohn Wolfgang und Schwiegertochter Beth sind Permakultur-Fans, im Sommer haben sie zig alte und seltene Sorten Tomaten und Knoblauch im Angebot. Die Enkelin Maya hilft im Verkauf.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at

Zrill's Ziegenzucht
Andreas Voggenberger schaut nicht zufällig frankophil aus – der Käse von der Milch seiner 200 Bio-Ziegen tut das auch. Er darf sogar offiziell die Bezeichnung "Fromage de chèvre fermier" tragen. Von sagenhaft cremigem Frischkäse (große Torte) und gereiftem Weichkäse wie Cabrie oder Pouligny über Ziegenrotschmier- und -hartkäse bis zu Ziegenfleisch, aber auch Kaninchen und Taube reicht das Angebot.

Foto: Katharina Seiser/Esskultur.at