Fischer am See
Im eiskalten Wasser des Weißensees gedeihen Reinanken, Seeforellen und nicht zuletzt Karpfen von außerordentlicher Qualität.

Foto: Goerges Desrues

Martin Müller richtet seinen Fang nicht nach der Nachfrage aus, sondern nach dem Fischbestand. Logisch - aber heute sehr ungewöhnlich.

Foto: Goerges Desrues

Martin Müller ist mit dem Weißensee verwachsen. Hier verbrachte er seine Kindheit, und hierher kehrte er zurück, nachdem er in Wien Ökologie mit den Schwerpunkten Limnologie (Ökologie der Binnengewässer), Fischökologie und Fischbiologie studierte. Thema seiner Diplomarbeit waren – wie könnte es anders sein? – die Reinanken im Weißensee.

Im Jahr 2005 eröffnete er dann seinen eigenen Fischereibetrieb. Müller ist Biologe, Fischer und Fischzüchter in Personalunion. Und passionierter Angler ist er obendrein, und zwar von Kindheit an. "Ich versuche den See ganzheitlich zu begreifen und zu bewirtschaften. Das ist nicht immer leicht, denn für einen Angler bedeutet ein guter Fischbestand oft etwas anderes als für einen Biologen oder einen Berufsfischer", sagt Müller. Genau aus diesem Grund sei es auch kein leichtes Unterfangen gewesen, sich hier als Netzfischer niederzulassen.

"Ausgerechnet in dem Jahr, in dem ich begonnen habe, ist der Bestand an Reinanken im Weißensee zusammengebrochen. Die Angler machten meine Netzfischerei dafür verantwortlich, obwohl die damit gar nichts zu tun hatte. Es bestand einfach eine Überpopulation an Reinanken, dadurch gab es für die Larven nicht mehr genug zu essen, bis das Ökosystem kippte. So etwas wie exponenzielles Wachstum gibt es eben nirgendwo", sagt Müller. Viele hätten das aber nicht verstanden und deswegen Druck ausgeübt, ist doch der Angeltourismus ein bedeutender Wirtschaftszweig am Weißensee, den lokale Hoteliers und Wirte mit allen Mitteln zu bewahren trachten.

"Wir richten uns nach dem Fischbestand"

In der Zwischenzeit haben sich die Wogen geglättet. Bis zu zwei Tonnen Reinanken hole er heute pro Saison mit seinen Netzen aus dem See; sechs Tonnen, so schätzt er, müssten es sein, würde es darum gehen, die Nachfrage zu befriedigen. "Wir richten uns aber eben nicht nach der Nachfrage, sondern nach dem Fischbestand", sagt Müller. Das klingt zwar nur allzu logisch und schlüssig – und ist trotzdem genau das Gegenteil dessen, was viele Fischer auf der ganzen Welt betreiben; egal, ob in kleinen Bergseen oder in den Tiefen des Ozeans. Um die ständig wachsende Nachfrage nach heimischen Süßwasserfischen zu befriedigen, züchtet Müller auch seine eigenen Fische, darunter vorwiegend Seeforellen und Saiblinge.

"Leider sind das beides Raubfische, die nach wie vor ein Mehrfaches ihres eigenen Gewichts an Fischmehl fressen", ist er sich bewusst. Aber das sei nun einmal nicht zu ändern, denn würde der Markt nur mit Wildfang versorgt werden, würde das das baldige ökologische Ende für die meisten Alpenseen in Österreich bedeuten, sagt er. Manchmal aber spießen sich Müllers unterschiedliche Berufungen. Etwa dann, wenn sich eine Seeforelle im Netz verfängt. "Es gibt kaum einen besseren Speisefisch als die Seeforelle. Und zum Kalträuchern und Beizen eignet sie sich besonders gut. Aber sie ist ein gefährdeter Fisch und bereitet mir noch mehr Freude, wenn ich sie gesund und munter davonschwimmen sehe." (Georges Desrues, DER STANDARD, Feinkost)