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Sony und Microsoft versprechen Großes für die Cloud-Gaming-Zukunft. Abwarten.

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Ein großer Teil der nächsten Konsolengeneration rund um PlayStation 4 (PS4) und Xbox One (XBO) steht in den Wolken. Das ist zumindest das, was Sony und Microsoft ihren Kunden weismachen wollen. Über die unendlichen Ressourcen der Server sollen künftige Spiele schöner, intelligenter, lebendiger werden. Und, Games soll man erst gar nicht mehr installieren oder heruntergeladen müssen. Per Knopfdruck wird das virtuelle Erlebnis auf den Bildschirm gestreamt. Doch bei allen Versprechen und verlockenden Zukunftsvisionen lassen Sie sich bitte nicht täuschen. Die meisten dieser magisch wirkenden Cloud-Gaming-Funktionen sind entweder nur neu verpackte alte Konzepte oder noch länger nicht praxistauglich.

Game-Streaming

Sonys und Microsofts vollmundige Versprechen sehen grandiose Zukunftsszenarien für Konsolen-Gamer vor. Über den Online-Dienst Gaikai und das "schnellste Gaming-Netzwerk der Welt" wird man mit der PS4 neue Demos und trotz mangelnder Abwärtskompatibilität alte PS3-, PS2- und PS1-Spiele im Moment auf den Fernseher streamen können. Sony will eines Tages alte PlayStation-Spiele auf diese Weise sogar auf Smartphones, Tablets und TV-Geräten verfügbar machen. Was bei Demos noch einen spontanen Versuch wert ist, sollte vor dem Kauf oder der Miete von alten Streaming-Games allerdings gut überlegt werden. Denn, um beispielsweise PS3-Games in voller Qualität zu streamen und dann auch noch eine verzögerungsfreie Steuerung zu genießen, benötigt es nicht nur schnelle, sondern auch konstante Internetverbindungen mit 50 oder besser noch 100 Mbit/s. Spielen Sie "Gran Turismo" und das Signal bricht auch nur für einen Bruchteil in der Sekunde ab, donnern Sie in die Leitplanke oder das Auto vor ihnen. Wie eingeschränkt praktikabel Game-Streaming-Dienste heute leider noch sind, beweisen Angebote wie OnLive. Ohne flotter und zuverlässiger Kabel- oder Glasfaser-Anbindung wird es nichts mit dem Streaming-Traum.

Ein realistischeres und weniger heikles Feature ist hingegen der Live-Stream von Spielsessions. PS4-Spieler werden per Videostream andere bei ihren virtuellen Heldentaten zusehen lassen können. Ein eigener Rechenchip kümmert sich um die Aufbereitung des Audio/Video-Signals und verhindert dadurch, dass wertvolle Hardware-Ressourcen angezapft werden. Hier ist es schließlich auch verschmerzbar, wenn einmal die Verbindung einknickt, weil jemand anderer im Haushalt gerade den Bittorrent-Client angeworfen hat. Abwarten heißt es wiederum bei einer Funktion, die Sony im Zuge des Video-Streams in Aussicht stellt. Angeblich wird man in der Lage sein, Freunden bei Spielen zu helfen und über das Internet vorübergehend das Ruder zu übernehmen. Wenn auch für den kurzzeitigen Eingriff höhere Latenzen verkraftbar sind: Wundern Sie sich nicht, wenn dieses Feature nicht reibungslos funktionieren sollte.

Konsolen-Boost

Noch fantastischer erscheint Microsofts Ankündigung, dass die Rechenleistung der Xbox One dank der Cloud um ein Vielfaches gesteigert werden könne. Wie ausführlich dargestellt, dürfte jedoch nicht sehr viel an diesem Versprechen dran sein. Was auch immer Microsoft damit im Sinn hat: Schönere Grafik, schlauere Spielgegner und realistischere Physikeffekte werden selbst die "300.000 Server" des neuen Xbox Live aufgrund realer Bandbreitenbeschränkungen nicht auf den Fernseher zaubern können. Der plötzliche Fokus auf leistungssteigernde Serverkapazitäten wirkt tatsächlich wie der Versuch, von den Gaming-Leistungsdefiziten der "Alles-in-Einem-Konsole" XBO abzulenken.

Auch zu bedenken ist, dass die Etablierung von Einzelspieler-Games mit Serverrückhalt aus Konsumentensicht nicht unbedingt erstrebenswert ist. Denn egal wie viel oder wie wenig die Cloud von den Aufgaben der Konsole übernehmen sollte, setzt diese Verschränkung in jedem Fall nicht nur eine permanente Internetverbindung sondern auch eine dauerhafte Herstellerunterstützung voraus. Dreht der Hersteller aus Kostengründen eines Tages die Server ab, kann man sein teuer erworbenes Game nicht mehr spielen. Die Probleme zum Start von "SimCity" und "Diablo 3" sollten hier als Warnung dienen.

In der Cloud ist nichts exklusiv

Selbst wenn einige dieser versprochenen Cloud-Features eines Tages reibungslos funktionieren sollten, rate ich Ihnen, sie nicht als Kaufargument für eine bestimmte Konsole anzusehen. Denn so cool es auch beispielsweise sein mag, den PS4-spielenden Freunden via Internet über die Schulter schauen zu können, so ist das eine Funktion, die ein Microsoft oder ein PC-Dienst wie Steam auch realisieren kann. Spiel-Features, die serverseitig realisiert werden können (man denke nur an Multiplayer-Shooter oder Rollenspiel-MMOs), sind vom Konzept her nicht abhängig von einer lokalen Hardware-Plattform. Sollte ein "Grand Theft Auto" eines Tages eine sich dynamisch weiterentwickelnde Welt bieten, wird dies genauso auf einer PS4, einer XBO, einem PC oder auch einer Wii U umsetzbar sein. Server lassen sich nachträglich immer noch zuschalten oder aufrüsten, egal ob PSN, Xbox Live oder Nintendo Network drauf steht.

Der Schlüssel zum Cloud-Gaming-Universum ist in erster Linie nicht die Konsole (oder der PC), sondern die Qualität der Internetanbindung und der Beweggrund der Anbieter. Solange Spielhersteller berücksichtigen müssen, dass ein Großteil ihrer Kunden nicht am Glasfasernetz hängt, wird es abseits von dezidierten Online-Games und strikten Kopierschutzsystemen wenig kommerzielle Anreize geben, Videospiele mit den kostspieligen Kapazitäten von Servern zu erweitern. 

Beim Begreifbaren bleiben

Wer sich überlegt, eine neue PS4, XBO oder Wii U anzuschaffen, sollte genauso wie die Hersteller die Kirche im Dorf oder besser die Konsole im Wohnzimmer lassen. Was bietet die Hardware und die Software von Haus aus? Was kann der neue Controller und was bringen Touchpads und Bewegungssteuerungen tatsächlich für das Spielerlebnis? Einiges davon kann man anhand der verfügbaren Daten abschätzen, doch das Meiste wird sich erst in der Praxis beantworten lassen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 1.6.2013)

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