Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien/Grado - In der Medizin etabliert sich zunehmend die Meinung, wonach Alkoholabhängigkeit viel eher die Folge anderer psychischer Erkrankungen ist, als dass sie selbst am Beginn von psychischem Leiden steht. 36 Prozent der Suchtkranken haben laut einer Studie des Anton Proksch Instituts und des Ludwig Boltzmann Instituts eine schwere Depression, ebenfalls 36 Prozent eine generalisierte Angststörung, 30 Prozent Panikattacken, 24 Prozent eine posttraumatische Belastungsstörung und 14 Prozent eine Essstörung, wobei die Zahlen auch das "kombinierte Auftreten" psychischer Erkrankungen beinhalten.

"Wir gehen heute davon aus, dass die Suchterkrankung eher eine Erkrankung ist, die sich auf eine andere psychische Erkrankung aufpfropft", erklärt der Psychiater Michael Musalek, Ärztlicher Leiter des Anton Proksch Institutes, im Rahmen der Ärztetage in Grado. Demnach sollte die Therapie beide Phänomene umfassen - etwa eine Therapie bei Depressionen sowie eine Behandlung der Suchterkrankung.

Möglichst früh und individuell therapieren

Das alles sollte möglichst früh einsetzen. "Es gibt ein Kontinuum vom normalen Gebrauch des Alkohols zum problematischen Konsum bis hin zur Abhängigkeit. Jeder, der Alkohol konsumiert, hat sozusagen das 'Potenzial', dass er einmal bei der Suchterkrankung 'ankommt'. Der Einzelne weiß das zumeist recht genau, wenn er die Abhängigkeit erreicht hat", so der Suchtexperte.

In allen Fällen komme es zunehmend darauf an, möglichst individuell zu therapieren. Hier ist neuerdings nicht mehr in allen Stadien der Alkoholkrankheit völlige Abstinenz das alleinige Ziel. Im Frühstadium, wenn noch der ehemals als solcher bezeichnete "problematische Konsum" vorliegt, wird vermehrt auf Strategien zur Reduktion des Trinkens auf ein moderates Niveau gesetzt.

"Wenn die Alkoholkrankheit erst im Spätstadium mit einer bedeutenden körperlichen Abhängigkeit diagnostiziert wird und/oder auch eine psychische Abhängigkeit gegeben ist, ist Abstinenz unumgänglich", so Musalek. Das Fazit des Experten: "Man sollte eben - wie bei allen chronischen Erkrankungen - möglichst früh aufmerksam werden sowie Diagnose und Therapie anbieten". (APA/red, derStandard.at, 31.5.2013)