Wien - Nach einem Jahr fruchtloser Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaft über ein neues Lehrerdienstrecht hat die ÖVP am Mittwoch einen Alternativvorschlag präsentiert, mit dem man "den Karren flottkriegen" will, wie Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) sagte.

Das ÖVP-Rezept zur "Überwindung unüberbrückbarer Differenzen" mit der Gewerkschaft: Anstelle der höheren Unterrichtsverpflichtung mit 24 Stunden ist ein Präsenzzeit-Modell vorgesehen, die konkrete Stundenanzahl soll dabei die jeweilige Gewerkschaft den verschiedenen Lehrergruppen (Pflichtschule, AHS, BMHS, Berufsschule, Landwirtschaftsschulen) einzeln verhandeln. Beim Einkommen soll es ein gemeinsames Anfangsgehalt von 2.400 Euro geben und die Kurve danach flacher werden, grundsätzlich soll aber jede Lehrergruppe ihre bisherige Gehaltsstaffel beibehalten.

Studien über nichtpädagogische Aufgaben

Zudem soll nach Willen der ÖVP wissenschaftlich erhoben werden, welche nichtpädagogischen Tätigkeiten Lehrer derzeit übernehmen und durch welche Art von Unterstützungspersonal sie entlastet werden könnten, um sich verstärkt ihrem pädagogischen Bildungsauftrag widmen zu können. Fekter kann sich hier stufenweise bis zu 2.000 Unterstützungspersonen vorstellen, das könne man abdecken, ohne dass "wir den Konsolidierungspfad wesentlich verlassen müssen". Außerdem will die ÖVP für adäquate Arbeitsplätze für Lehrer im Konferenzzimmer und außerhalb des Klassenraums eintreten - ein Kapitel, das laut Fekter "bisher sehr vernachlässigt worden ist".

Eine Lehre, die Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle aus der Reform der Lehrerausbildung gezogen hat, will die ÖVP ebenfalls beim Lehrerdienstrecht nutzen: Er plädiert für die Einsetzung eines Expertenrats bestehend aus zwei von der Regierung und einer von der Gewerkschaft nominierten Person, die "in Detailfragen allen beratend und kooperierend zur Seite steht".

Regierungsvorschlag: Keine Einigung machbar

Sowohl Fekter als auch Töchterle zeigten sich sehr optimistisch, dass die Gewerkschaft dem ÖVP-Modell zustimmen wird. Die Partei habe zwar den Regierungsvorschlag von Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (beide SPÖ) prinzipiell mitgetragen. Es habe sich aber gezeigt, dass damit keine Einigung möglich sei. Mit dem ÖVP-Vorschlag dagegen sei bis Herbst eine Lösung möglich.

Besonders der Versuch, ein einheitliches Dienstrecht für alle Lehrer zu schaffen, habe sich als "erhebliche, unüberwindbare Grenze" herausgestellt, sagte Fekter, die für die Regierung gemeinsam mit Schmied und Heinisch-Hosek die Verhandlungen mit der Gewerkschaft führt. In 27 Verhandlungsrunden, davon sieben auf Ministerebene, gab es bisher keine substanziellen Fortschritte.

"Unterschiedliche Anforderung"

Fekter argumentiert das Abgehen von einem gemeinsamen Dienstrecht für alle damit, dass die Arbeit an den unterschiedlichen Schultypen wegen der "unterschiedlichen Anforderungen" einfach nicht miteinander vergleichbar sei. Die damit weiter nach Schultyp unterschiedliche Bezahlung ist für sie auch kein Problem, das sei "im öffentlichen Dienst Usus".

Finanziell bedeute das ÖVP-Modell über den gesamten Lebensarbeitszyklus eines Lehrers keine Mehrkosten, da nur die Gehaltskurve gedreht würde. Das von der ÖVP angesetzte Startgehalt ist mit 2.400 Euro fast identisch mit jenem des Regierungsvorschlags (2.420 Euro plus Zulagen für manche Fächer). Die Höhe der künftigen Höchstgehälter je nach Berufsgruppe konnte Fekter vorerst nicht nennen.

Die Debatte über Unterrichtsstunden - die Regierung wollte hier eine Anhebung von derzeit 20 bis 22 auf 24 Unterrichtsstunden - sei ebenfalls nicht zielführend gewesen, sagte Fekter. Eine Reform des Dienstrechts "kann nicht primär und einzig über eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung funktionieren". Wissenschaftsminister Töchterle kritisierte, bisher sei ein "falsches Bild vermittelt worden mit kleinlicher Stundenzählerei". Eine moderne Schule mit Projektunterricht und Ähnlichem könne über diesen Parameter gar nicht mehr definiert werden. Außerdem halte er das Argument der Gewerkschaft für plausibel, dass sie keiner Reform zustimmen könne, die weniger Geld und mehr Arbeit bedeute.

Mehr Autonomie

Mit dem Präsenzzeit-Modell der ÖVP könne Lehrerarbeit besser abgebildet werden. Durch diesen relativ flexiblen Rahmen brauche es allerdings auch mehr Autonomie an den Schulen, damit diese die Details festlegen können, und eine Berichts- und Bilanzpflicht zur Überprüfung der Leistung. Damit könne auch ein neues Schulklima ohne "Rechnerei und Abtauscherei von Werteinheiten" entstehen. Immerhin mache ein Lehrer viel mehr als nur unterrichten.

Das ÖVP-Modell zeige "intelligentere Wege zum gemeinsamen Erfolg", so Fekter. Und: Am Grundziel der Reform, ein modernes Dienstrecht mit höheren Einstiegsgehältern, einer flacheren Gehaltskurve und einer Präsenzverpflichtung zu schaffen, halte das ÖVP-Modell fest. Auch Töchterle pochte auf eine Lösung auf dem Verhandlungsweg, die Reform "kann nur ein Miteinander sein und kein Drüberfahren". Fekter betonte, sie sei "absolut zuversichtlich", dass die Gewerkschaft von dem Vorschlag, den man ihr bereits vor der Präsentation übermittelt habe, überzeugt werde.

Initiativantrag im Parlament

Die Umsetzung des ÖVP-Vorschlags kann laut Fekter "relativ rasch" erfolgen: Die Drehung der Gehaltskurve sei schnell berechenbar, und zur Definition von Lehrerarbeit könnten bestehende Studien herangezogen werden, die wiederum Aufschluss über den Bedarf an Unterstützungspersonal erlauben würden. Einen Beschluss der Reform vor der Wahl schloss sie nicht aus. Es könne zum Beispiel einen Initiativantrag im Parlament geben.

Schmied will Machbarkeit prüfen

Inhaltlich zurückhaltend kommentierte Unterrichtsministerin Schmied die ÖVP-Vorschläge. "Wir werden das Papier nun in Ruhe anschauen und auf die Machbarkeit hin überprüfen", hieß es. "Insgesamt sind wir froh, dass der Vizekanzler und ÖVP-Chef nun das Thema ernst nimmt und die ÖVP auch dank des Drucks des Bundeskanzlers offenbar Interesse hat, das gemeinsame Regierungsprojekt eines leistungsorientierten Dienst- und Besoldungsrechts ins Ziel zu bringen."

Auch Beamtenministerin Heinisch-Hosek will den Vorschlag zur Lehrerdienstrechtsreform inhaltlich prüfen und als Input in die nächsten Verhandlungen mitnehmen, so ihre Sprecherin. Positiv sei, dass Bundeskanzler Faymann "Bewegung in die Sache gebracht habe".

Gewerkschafter sieht Vorschlag positiv

Der Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger, kann dem ÖVP-Vorschlag in einer ersten Stellungnahme gegenüber derStandard.at einiges abgewinnen. "Endlich wurde die Botschaft verstanden, dass wir das neue Dienstrecht auf einer wissenschaftlichen Grundlage aufbauen müssen", so Kimberger von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter. Die Gewerkschaft habe schon vor einem Jahr eine Arbeitszeitstudie gefordert, dieser Vorschlag sei aber von Schmied und Heinisch-Hosek vom Tisch gewischt worden.

Die Idee einer differenzierten Herangehensweise bei der Berechnung des Gehalts von Lehrern aus verschiedenen Schultypen begrüßt Kimberger ebenfalls. Man müsse das gesamte Spektrum abbilden, die unterschiedlichen Aufgaben von AHS-Lehrern und Sonderpädagogen müssten sich im Dienstrecht widerspiegeln. Die Gewerkschaft will die Vorschläg der ÖVP in den kommenden Tagen genau prüfen.

Neugebauer: "sehr taugliche Grundlage"

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Fritz Neugebauer, hat das Modell begrüßt. Er sprach von einer "sehr tauglichen Grundlage" für eine "gemeinsame, kluge Lösung". Das Konzept ist seiner Ansicht nach von einem "erfreulichen Realitätssinn geprägt", mit dem der Erfahrungsschatz der bisherigen Diskussionen eingebunden werde. Der ÖVP-Gewerkschafter glaubt, dass man damit "mehrere Schritte weiterkommen kann". Einen Abschluss vor der Nationalratswahl hält Neugebauer durchaus für möglich. (APA/red, derStandard.at, 5.6.2013)