Ein Text unseres Kolumnisten Nils Pickert mit dem Titel "Im Bett mit dem Feminismus" vor ein paar Wochen hat für feministische Kritik in den Sozialen Medien gesorgt. Um dieser Kritik auch hier Raum zu geben, gibt es nun eine Replik auf den Text aus der Feder der an.schläge-Redaktion:

Nils Pickert darf auf dieStandard.at regelmäßig zu Geschlechterthemen schreiben, "weil die Emanzipation von Frauen auch die von Männern braucht." Dagegen wäre erst mal gar nichts einzuwenden, im Gegenteil. Wenn man jedoch einem komplexen Diskurs wie jenem um Sexualität, Lust und Macht zu Leibe rückt, an dem sich innerfeministische Debatten seit Jahrzehnten abarbeiten, ist sehr wohl von Relevanz, wessen Stimme Öffentlichkeit erhält. Dass das schiefgehen kann, hat Nils Pickert bestätigt, als er kürzlich "mit dem Feminismus im Bett" war.

"Den Feminismus" gibt es nicht

Schon der Titel demonstriert, dass der Autor seine Hausaufgaben nicht gemacht hat – dass es "den" Feminismus nicht gibt, gehört mittlerweile zum feministischen Basiswissen. Dies ist insofern wichtig, weil gerade beim Thema Sexualität – einem zentralen Interventionsfeld emanzipatorischer Bewegungen – tiefe Gräben und ein Dissens unter Feministinnen auszumachen sind, damals wie heute. "Ist Feminismus lustfeindlich?", lautet die Ausgangsfrage von Nils Pickert. Ist es denn wirklich nötig, das dröge Klischee der freudlosen, "unfickbaren" Emanze aus der Mottenkiste zu holen?

Pickert holt im Laufe seines verschwurbelten Kolumnentextes weit aus, streift die PorNO-Kampagne ebenso wie monotheistische Religionen, macht aber nicht deutlich, wer hier eigentlich worüber spricht. Der Autor tritt vielmehr als scheinbar objektiver Beobachter politischer Debatten auf (ohne seine eigene Verwobenheit zu thematisieren) und wartet schlussendlich mit dem Ratschlag auf, dass "der Feminismus" doch bitte jene Menschen loslassen soll, die andere gerne zum "Objekt der Begierde" machen. Schließlich: Ficken – nach Pickert anscheinend eine Art freier Ur-Sex – lasse sich nicht mit Feminismus vereinbaren, denn "Gerechtigkeit verträgt keine Ausnahmen". Selbstbestimmte Subjekte können in der Vorstellung Pickerts offensichtlich nicht begehrt werden, seine Unterscheidung "Ficken versus Miteinanderschlafen" hinterlässt schlichtweg Ratlosigkeit. Anstatt darüber zu klagen, dass "der Feminismus" im Bett unfrei mache, schlagen wir vor: Reden wir doch darüber, wie die sexuelle Freiheit von Frauen in dieser, unserer Gesellschaft noch immer beschnitten, geleugnet, infrage gestellt wird.

Autor betritt kein neutrales Terrain

Feminismus interessiere sich im Kern nicht für Männer und Frauen, sondern für Menschen, schreibt Pickert weiters und wendet sich in seinem Text folglich dem "menschlichen Begehren" zu. Damit blendet er einen ganz entscheidenden Aspekt in der Debatte um Lust und Begehren aus: Öffentliches Sprechen über Sex wird Frauen nach wie vor nicht zugestanden. Der Autor betritt hier also keineswegs neutrales Terrain, sondern addiert sich zu der Schräglage in der Debatte. Der englischsprachige Begriff des "Slut-shaming" bringt es auf den Punkt: Frauen, die ihre Sexualität öffentlich machen, werden gesellschaftlich sanktioniert, sollen sich schuldig und minderwertig fühlen.

Auch ein (Hetero-)Mann darf über Sex schreiben, entgegnete die dieStandard.at-Redaktion unter anderem Feministinnen, die den Text kritisierten. Ja, das darf er. Doch statt über den Feminismus zu referieren und komplexe Debatten verkürzt wiederzugeben, wäre es wesentlich spannender gewesen, etwas über die eigenen Erfahrungen und Positionierungen eines profeministischen Hetero-Mannes in Sachen Sexualität zu lesen.

Die Frage, was Sexualität mit Ideologie zu tun hat, wurde immer wieder und gerade auch von Feministinnen aufgeworfen: Welcher sexuelle Akt ist nicht von gesellschaftlichen Normen und Definitionen geformt und ideologisch durchdrungen? Was Lust macht und machen soll, ist daher niemals bloß eine persönliche Angelegenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Nils Pickert nimmt zwar Bezug auf feministische Auseinandersetzungen mit Sexualität und Macht, erwähnt jedoch mit keinem Wort die Kritik von insbesondere lesbischen und queeren Thereotikerinnen, die sich bereits eingehend mit eben diesen von ihm gestellten Fragen beschäftigt haben. Wir nennen das Heterosexismus – und diesen könnte mann ja auch mal selbstkritisch reflektieren. (dieStandard.at, 12.6.2013)