Ein kleiner Schritt für das Kind, ein großer für den Kindskopf: Das Burgenland bringt ein wenig Bewegung ins Immergleiche der Pädagogik. Kinder sollen künftig im ganzen Land ihre Pflichtschule wählen können.

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Eisenstadt - Am Donnerstag nächster Woche wird das Burgenland einen durchaus gewagten Schritt unternehmen. Da wird der Landtag nämlich ein Gesetz beschließen, welches das pannonische Schulwesen vom Kindskopf des peinlich vernadernden Wahlkampfes von 2010 auf die Füße des Alltags 2013 ff. stellen wird.

Mit Vorarlberg hat das Burgenland flächendeckend seine Haupt- auf Neue Mittelschulen umgestellt. Und da diese mit Ende des Schuljahres vom Versuchs- ins Regelwesen übergehen, hat der Landesgesetzgeber die entsprechenden Maßstäbe festzulegen. Ab Herbst wird also gelten, dass das Burgenland insgesamt nur ein einziger Schulsprengel sein wird, jedes Kind also in jede Schule des Landes gehen kann.

Die 41 Neuen Mittelschulen des Landes werden ab Herbst also in einer gewissen Konkurrenz zueinander stehen. "Es gibt landesweit die freie Schulwahl", sagt SP-Klubobmann Christian Illedits, "da sind wir das erste Bundesland. Und ich bin überzeugt davon, dass dadurch das Angebot an ganztägigen Schulformen weiter steigen wird."

Letzteres sieht die ÖVP wohl ein wenig anders, aber auch der schwarze Regierungspartner - der in der Periode der roten Absoluten von 2005 bis 2010 gerade schulmäßig ziemlich geschurigelt wurde - ist zufrieden mit der Regelung. Illedits' Gegenüber, Rudolf Strommer, verweist ausdrücklich auf die nunmehr erfolgende Senkung der Schul- Schülermindestzahl von 90 auf 80. Die Mindestzahl 90 habe, meint Strommer euphemistisch, "zu großen Schwierigkeiten geführt".

Zu Anklagen in Wirklichkeit und gerichtlichen Verurteilungen von Bürgermeistern und deren Mitarbeitern, weil diese versucht haben, durch sogenannte Scheinanmeldungen ungarischer Kinder diese ominöse 90 zu erreichen.

Keine "Entschulung"

Es habe sich gezeigt, erklärt Kurt Safrata, der Sprecher von VP-Chef Franz Steindl, dass bei der - pädagogisch ja sinnvollen - Mindestzahl an Schülern man auch die ländliche Geografie zu berücksichtigen habe. "Es ist zu wenig, nur stur auf die Ziffer zu schauen. Es geht nicht, dass man einen ganzen Landstrich entschult."

So wie es mit der Hauptschule Eberau passiert ist, die ein Jahr lang geschlossen war, um dann als katholische Privatschule Wiederauferstehung feiern zu müssen. Demnächst stehen die Bürgermeister auch der umliegenden Gemeinden vorm Kadi, weil sie ungarische Kinder missbräuchlich angemeldet hätten.

Selbst der Staatsanwalt beim Verfahren gegen den zu teilbedingten 18.000 Euro verurteilten Bürgermeister von Lockenhaus hat der das Instrument der anonymen Anzeige weidlich genutzt habenden Politik die selbstbemitleidende Kutsche retour geschickt. Die Justiz habe sich halt nach jenen Gesetzen zu richten, die von der Legislative beschlossen werden.

Die Legislative sieht nun also die freie Schulwahl vor, bremst allerdings bei der Standortkonkurrenz mit einem ökonomischen Schleppanker. Das kommunale Schulgeld geht nur zur Hälfte in die sprengelfremde Schule. Die andere Hälfte bleibt in der Heimat. "Es soll ja", sagt Christian Illedits, "nicht so sein, dass nur Schulen profitieren, die das beste Marketing betreiben oder gute Connections zu den Medien haben."(Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 17.6.2013)