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Sonys PS4 punktet mit Spielefokus und niedrigerem Preis bei den Konsumenten.

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Microsoft konnte die Vorzüge der Xbox One bislang noch nicht so gut verkaufen.

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Dass Videospielfans einander gerne im Internet die Schädel einschlagen, ist nichts Neues. Doch was seit einiger Zeit in der Gaming-Branche und besonders seit vergangener Woche im Gange ist, entbehrt jeden Präzedenzfalls. Nach den E3-Pressenkonferenzen rund um die neue Xbox One (XBO) und PlayStation 4 (PS4) ist am vergangenen Montag ein regelrechter "Shitstorm" über Microsoft niedergegangen.

Egal welches Medium man liest oder bei welchem Händler man nachfragt: Der aktuellen Stimmung der Gamer zufolge hat Sony das Rennen der nächsten Konsolengeneration bereits für sich entschieden. Umfragen, Vorbestellungen, soziale Medien und Foren sprechen eine eindeutige Sprache. Und auch unter Branchenvertretern auf der E3, auf der Journalisten und Analysten auf Entwickler und Konzernchefs treffen, war die Atmosphäre nicht anders. Microsoft schlitterte immer tiefer ins PR-Debakel, während Sony den Redmondern eine Lektion in Kommunikation erteilte. Doch wie konnte die Vorstellung zweier ähnlicher Produkte so unterschiedliche Reaktionen hervorrufen?

Unterschiedliche Kundenvisionen

Wie ein kluger britischer Kollege es ausdrückte: Microsoft hat mit der Xbox One ein Produkt für einen Konsumenten erschaffen, wie ihn Microsoft sich wünscht. Dieser User ist vorzugsweise in den USA zu Hause und möchte mit seiner Konsole jede Form von Medien konsumieren, also TV genauso darüber schauen wie skypen und Spiele spielen. Auch begeistert er sich für Features wie Spracheingabe und Gestensteuerung via den beigelegten Kinect. Selbst wenn das bedeutet, dass man nicht die schnellste Konsolen-Hardware für Games haben kann. Für diese Multifunktionalität ist Microsofts Kunde gerne bereit, 100 Euro mehr als für das Konkurrenzprodukt zu zahlen (die XBO kostet 499 Euro, die PS4 399 Euro), und nimmt dafür auch komplexe Nutzungsbedingungen in Kauf und dass er seine Konsole nur mit Internetverbindung nutzen kann.

Nimmt man Sonys Strategie unter die Lupe, zeigt sich ein gänzlich gegensätzliches Bild: Die PS4 ist ein Produkt für einen Konsumenten, den es bereits gibt. Sonys Kunde will zwar nicht auf Multimedia-Funktionen wie On-Demand-Videos und -Musik sowie Blu-ray-Filme verzichten, ist jedoch in erster Linie auf der Suche nach der leistungsstärksten Konsole für seine Games. Bei diesem Spielefokus freut es ihn, dass die PS4 nicht nur günstiger ist als eine Konkurrenzkonsole, sondern auch billiger als etwa ein neues iPad oder Smartphone, das er vielleicht so und so schon für Multimedia-Anwendungen besitzt. Er will spielen, und das so unkompliziert wie möglich, und auch nicht abhängig von der Internetverbindung sein, wenn er einmal alleine zockt. Falls es ihn eines Tages reizt, ein Spiel mit Kamera zu nutzen, möchte er diese optional erwerben können.

Perfekt kommuniziert

Das ist natürlich überspitzt formuliert, doch nicht fern dessen, was beide Hersteller bisher kommunizieren. Und so visionär manche Ansätze der XBO erscheinen mögen, hat es Microsoft scheinbar komplett verabsäumt, auf die aktuellen Wünsche der Kunden zu hören. Ein US-Kolumnist sprach im Hinblick auf die Xbox One gar von einem "Liebesbrief an die Konzerne". Sony hingegen hat diesen Fehler bereits bei der PlayStation 3 begangenen und schon während der Entwicklung der PS4 intensive Beratungsgespräche mit externen Partnern geführt. Die E3-Bühne nutzte man schließlich, um eine volle Breitseite auf Microsoft abzufeuern. Unter historisch anmutendem Jubel der tausenden Anwesenden erklärten Sony-Manager perfekt inszeniert, dass die PS4 weder mit Online-Zwang noch zu einem unerschwinglichen Preis ausgeliefert wird. De facto werde sich mit der nächsten Generation nichts ändern. Genau wie PS3-Blu-ray-Spiele wird man auch PS4-Games frei handeln können, wenngleich Spielhersteller nach wie vor die Möglichkeit haben, Gebühren mit Systemen wie Online-Pässen einzuheben. Ein integriertes DRM-Kontrollsystem wird es nicht geben.

Mit anderen Worten: Sony schaffte es, der Spielerschafft den Ist-Zustand als Fortschritt zu verkaufen, während Microsofts neues Modell als Rückschritt aufgenommen wurde. Auch gelang es Sony den Umstand schön zu verpacken, dass man auf der PS4 via PS Plus-Abo künftig wie bei der Xbox für Online-Gaming zahlen muss. Ein Wermutstropfen der auch deshalb verkraftet wurde, da man seiner Kundschaft in den vergangenen Jahren beweisen konnte, dass PS Plus mit monatlichen Gratisspielen und weiteren Features einen echten Mehrwert bietet.

Tief im Fettnäpfchen

Verschlimmernd für Microsoft kommt hinzu, dass man auf die herbe PR-Niederlage unglücklich reagierte. Mitarbeiter des Konzern versuchten auf der E3 etwa gebetsmühlenartig das Leistungsdefizit der Xbox One mit dem Verweis auf die Möglichkeiten der Cloud zu beschwichtigen. Mit Hilfe der Server könne die Rechenleistung der Konsole vervielfacht werden. Entwickler seien "begeistert" vom Potenzial, hieß es unisono von Microsoft-Angestellten aus allen Abteilungen und Ländern. Eine Kommunikationsanweisung, die jedoch mit keinem einzigen gezeigten Spiel untermauert werden konnte. Ganz abgesehen davon, dass Cloud-Funktionen auch andere Anbieter schon längst für sich entdeckt haben.

An anderer Stelle vergriff sich die Unternehmensspitze zum wiederholten Mal in der Wortwahl. Xbox-Boss Don Mattrick verkündete allen Ernstes, dass Spieler, die "offline" zocken wollen, sich eine Xbox 360 besorgen sollen. Eine Auflage, die nicht nur Sony-Fans dankend nutzten und prompt auf eine andere Alternative verwiesen: Die PS4. Bei solchen Patzern wird für Microsoft in den Zeiten des unverzeihlichen Internets sogleich jeder Schnitzer zum Bauchfleck. In Online-Foren wird bereits hinterfragt, ob die Xbox One-Games auf der E3 überhaupt auf echten Konsolen oder viel stärkeren PCs liefen. Gerüchte, die wie Öl im Feuer wirken.

Momentaufnahme

Nach einer derartigen Abfuhr stellt sich nun die Frage, ob und wie Microsoft zurück auf Kurs kommen kann. Und hier gilt es zu betonen, dass sich in den Monaten bis zum Marktstart der Xbox One und PS4 und in den Jahren danach noch sehr viel tun kann und wird. Vorrangig muss der Konzern seine Kommunikation auf die Reihe bekommen und den Konsumenten anhand von realen Beispielen zeigen, weshalb sich die Multimediafunktionen und die verpflichtende Online-Anbindung lohnen. Während man beim offiziellen Preis wohl allein schon aus Stolz nicht so bald nachgeben wird, könnte Microsoft hier jedoch die Spanne bei den Händlern lockern, um auf diese Weise wettbewerbsfähig zu sein.

Sonys betont konsumentenfreundlicher Kurs ist kurzfristig betrachtet goldrichtig. Allerdings wird sich die PS4 in den kommenden Jahren ebenfalls zunehmend den Herausforderungen der Online-Vernetzung stellen müssen. Dass jetzt alle gebrauchten Blu-ray-Games frei gehandelt werden können, ist schön und gut, solange die meisten Games auf Blu-rays gekauft werden. Doch wird der Konzern auch seine Nutzungsrichtlinien überarbeiten müssen, wenn erst einmal die Mehrheit der PlayStation-Spiele heruntergeladen wird.

Nicht nur wer zuhört, gewinnt

Eine entscheidende Erkenntnis können beide Hersteller aus den Ereignissen der letzten Monate mitnehmen: Wer auf die Konsumenten genauso wie die Partner und Entwickler hört, wird es in Zukunft leichter haben, seine Plattform zu etablieren. Langfristig durchsetzen wird sich allerdings nur der, der die Kunst beherrscht, nicht nur zu reagieren, sondern auch das Medium voranzutreiben. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 17.6.2013)