Bild nicht mehr verfügbar.

Was für ein Überraschungsei! Daniel Schmutzhard (Papageno) und Denise Beck (Papagena).

Foto: APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Bregenz - Im Club der Regisseure von Rang ist David Pountney ein bunter Hund, und ein ziemlich cooler nach dazu. Mozarts Zauberflöte massenkompatibel in Szene zu setzen und dann seinen Bühnenbildner mal eben so drei 27 Meter hohe Fantasiefiguren in den Bodensee bauen zu lassen, die ausschauen wie frisch aus dem Kinderkanal ausgebüxt: spitze.

Drachenhunde nennt Johan Engels die bunte Truppe. Inspiriert von Figuren aus südafrikanischen Märchen und dem dreiköpfigen Höllenhund Kerberos sollen sie auch Sarastros Tempel von Weisheit, Vernunft und Natur versinnbildlichen, irgendwie. Manchmal raucht es aus ihren säbelzahnbewehrten Mäulern, manchmal glühen die drei Augenpaare rot in der Schwärze der Nacht. Was sie aber immer sind: ein Hingucker mit Erinnerungs- und Unterhaltungswert. Und das optische Markenzeichen für die Bregenzer Festspiele 2013 und 2014.

Zentraler Spielplatz

Darf's noch ein bisschen mehr sein? Aber immer. In der Mitte der Bühne erhebt sich, bewacht von den Männchen machenden Hunden, schildkrötenartig der zentrale Spielplatz. Auf der einen Seite kann, wenn von unten Luft reingepustet wird, ein zauberhafter Wald von meterhohen Gräsern aus Ballonseide wachsen, die in der sanften Abendbrise hin- und herwiegen wie Seeanemonen.

Durch diesen streift Sarastros versklavte Soldateska, in Spiderman-Outfit und mit Breakdance-Bewegungen. Die drei Damen reiten - in Puppengestalt - auf saurierartigen Drachenvögeln, die drei Knaben mit ihren riesigen kahlen Kinderköpfen sind irgendwo zwischen den Skulpturen von Niki de Saint Phalle und Sinéad O'Connor angesiedelt (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca).

Die kahle Seite der flachen Kuppel ist den absolutistischen Herrschern vorbehalten, dem mit Prunk protzenden Sarastro (rot) und der Königin der Nacht. Dank des eingebauten "Königinnenhubs" darf sie die Rachearie auf drei Meter Höhe singen, ganz in Blau, die Kuppel wird zu ihrem riesigen Kleid: Schaut das gut aus. Karl Friedrich Schinkel hätte seine Freude dran gehabt.

Ist das viele Bunte gut so? Aber ja. An die 400.000 Besucher sollen in zwei Sommern zur Zauberflöte kommen, die Produktion ist die Cashcow der Festspiele. Wie überall beklagt man auch hier die Nichterhöhung der Unterstützung vonseiten der öffentlichen Hand, rechnet vor, dass die 5,7 Millionen Euro an Subventionen 21 Millionen an direkten Steuereinnahmen generieren würden und sogar 167 Millionen an indirekter Wertschöpfung. Da wäre doch für die versammelte Staatsspitze die Lösung aller Budgetprobleme in Sicht.

Die Lösung der gesellschaftlichen und politischen Probleme und also auch die heutige Botschaft des Stücks sieht Pountney in der Abkehr von rigiden, zentralistischen Herrschaftsstrukturen und in der Hinwendung zum freien Menschen. Am Ende verlassen Tamino und Pamina den Einflussbereich von Priestern und Königinnen und schreiten im weißen Leiberl mit Regenbogenfarben durch die Reihen der von sanftem Regen betröpfelten Zuschauer.

Diese beklatschen die vierte See-Regiearbeit des im nächsten Jahr scheidenden Intendanten genauso wie die Leistungen der Sänger: die makellosen Koloraturen Ana Durlovskis (Königin der Nacht), den heldisch-eleganten Tenor Norman Reinhardts (Tamino), den geschmeidig-glänzenden Sopran von Gisela Stille (Pamina). Ein großer Bub im gelben Basketball-Outfit der kommod gesungenen Papageno von Daniel Schmutzhard, ein komödiantischer Kracher Dénise Beck (Papagena). Profund in der Tiefe, jedoch von ausbaufähiger Autorität der Sarastro von Alfred Reiter, harmlos Martin Kochs Monostatos.

Tadellos die allesamt aus dem Festspielhaus gesungenen drei Knaben und Damen, und auch die Wiener Symphoniker bringen das - leicht gekürzte - beliebteste Werk des deutschsprachigen Musiktheaters unter der Leitung von Patrick Summers, von einer etwas verwackelten Ouvertüre abgesehen, gefällig aus selbigem an die Ohren des Publikums. Die Finanzverantwortlichen von Stadt, Land und Bund können also aufatmen: Die Kohle kommt. Und das Publikum darf sich freuen: Diese Zauberflöte wird man nicht so schnell vergessen. (Stefan Ender, DER STANDARD, 19.7.2013)