Auf ihrem weiß-rosa "Princessa" mit Zweigangschaltung (Pedalklick rückwärts) fährt die stolze Besitzerin des ersten B'IQ-Rades im Freilauf den Rennradfahrern davon: "Die Typen flippen aus!", freut sich Marcin Dopieralski, der das Rad gebaut hat. Ein richtiges Modell für Mädels hatte sie sich gewünscht, in Weiß und Rosa – und schnell sollte es sein. Zu kaufen gab es so etwas nicht, weshalb Dopieralski beschloss, es für sie zu bauen.

Foto: BIQ

Kaum war der offizielle Prototyp im Mai 2012 auf der Straße, erregte er Aufsehen: "Alle Leute sprechen die Frau auf das Rad an, alle ihre Freundinnen wollen es ausborgen", berichtet der studierte Holzbildhauer und Holztechniker.

Dopieralski löste den Gewerbeschein für sein Unternehmen. "Es war ein Wortspiel", berichtet er über die Namensgebung. "B'IQ steht für Bike mit Intelligenzquotient." Die Aussprache ist "Bike You", also "radle dich". 15 Fahrräder hat er mittlerweile entworfen und gebaut.

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In seinem Ein-Mann-Unternehmen macht er alles selbst: von technischer Entwicklung und Design über die Fertigung bis zu Marketing und Betreuung der Website.

Von der Idee bis zum Prototyp dauerte es einige Jahre, Dopieralski finanzierte alles aus eigener Tasche. Nicht zuletzt deshalb entstehen seine Räder in seiner Küche in Wien-Leopoldstadt – einem hellen, gemütlichen Raum, der mit Profi-Werkzeug ausgestattet ist.

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Was an der B'IQ-Kollektion als Erstes ins Auge springt, ist ihre Buntheit. "Radfahren macht Freude", sagt Dopieralski, "warum soll man das nicht sehen?" Dass alle Stadträder in denselben bedeckten Farben gehalten sind, findet er schade – "die Stadt ist sowieso grau".

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Doch gilt es eine Hürde zu meistern: "Die Leute haben Angst vor Farbe", beobachtet der Fahrraddesigner. "Zum einen wollen sie nicht auffallen, zum anderen fürchten sie, dass das Rad gestohlen wird." Laut Dopieralski können Profidiebe solche Räder aber nicht verkaufen, weil sie zu auffällig sind.

Von den bunten Griffen bis zur bunten Kette – lange hat es gedauert, bis Dopieralski an die farbenprächtigen Teile für seine Räder gekommen ist, zu gering war das Interesse der Erzeuger an der Auslieferung kleiner Stückzahlen.

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Heute werden fast alle Bestandteile eigens für B'IQ hergestellt. Die bunten Sättel überzieht Marcin Dopieralski selbst.

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Längere Transportwege will Dopieralski vermeiden, so kommen die meisten Bestandteile für das B'IQ aus Europa: die bunten Griffe aus Polen, die Schaltungen von Sturmey-Archer, einem Unternehmen mit mehr als 110-jähriger Geschichte.

"Das Alte an den Rädern ist nur der Rahmen", sagt der Fahrradbauer. Diese seien besonders gut gemufft. Er kauft sie vorwiegend in Österreich. Danach müssen sie an der Technischen Universität in Krakau einen Belastungstest bestehen.

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Ausschließlich Stahlrahmen ohne Beschädigungen kommen in Frage. Sie werden gereinigt, getestet und pulverbeschichtet. Dadurch sind sie nicht so leicht zerkratzbar wie herkömmliche Rahmen, und auch gegen Rost sollen sie besser geschützt sein.

Foto: Marcin Dopieralski zeigt auf die schwächste Stelle am Rahmen.
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Vor allem Peugeot-, aber auch Puch-Rahmen kommen zum Einsatz, und manchmal gibt es Reaktionen von Passanten: "Ich kenne den Rahmen! Auf so was bin ich in den 70er Jahren gefahren."

"Das Fahrrad wird, so wie in seiner Anfangszeit, wieder zu einem Statussymbol", beobachtet Dopieralski. Doch er hat keine Lust, "Fahrräder für Menschen zu bauen, die sie sich an die Wand hängen, weil sie schon zehn haben. Ich baue für leidenschaftliche Radfahrer." So können die Räder künftig auch in Form von Ratenzahlung erworben werden.

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Fahrräder waren immer schon die große Leidenschaft des gebürtigen Polen. Seit seinem 15. Lebensjahr schraubt er an ihnen herum und stellt sich immer größeren Herausforderungen.

"Extrem viel Zeit" lässt er sich beim Zusammenbauen. "Ich muss mir das Rad immer wieder ganz genau anschauen", beschreibt er den langwierigen Prozess. "Ich bin kein Schrauber, sondern empfindlich, was Ästhetik betrifft, weil ich aus der Kunst komme." Eine Einstellung, die kürzlich mit dem Velo-City-Jurypreis für Fahrraddesign gewürdigt wurde.

Am häufigsten baut Dopieralski Stadträder mit 28 Zoll. Alle wiegen weniger als 15 Kilogramm, sogar das orangefarbene Rad mit den Trommelbremsen bringt nur zwölf Kilogramm auf die Waage. Ein Stadtrad mit Zweigangschaltung in Basisausstattung ist um 990 Euro zu haben. Nach oben hin gibt es allerdings keine Grenzen, je nach Extra-Ausstattung, individueller Fertigung und Farbgebung.

Nicht nur Stahl, sondern auch Holz ist der Werkstoff, dem sich Dopieralski widmet: Als einer von zwei Anbietern in Österreich fertigt er Bambusräder.
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Jedes B'IQ-Rad hat die Garantie von zwei Jahren auf den Rahmen. "Man muss sich aber wirklich anstrengen, um eines meiner Räder kaputt zu machen", sagt Dopieralski. 40 Jahre Lebensdauer prophezeit er jedem einzelnen. Das Service übernimmt er selbst, und wenn die Verschleißteile am Ende sind, können sie vor Ort – sprich in seiner Küche – nachgekauft werden, damit jedes Modell seine Farbcharakteristik behält.

Doch bevor es in den Verkauf kommt, fährt er jedes seiner Räder einige Distanzen Test, "damit es sauber läuft". Als extrem spannend bezeichnet er dieses Testfahren, denn jedes Fahrrad sei völlig anders. "Es hat so etwas wie eine Seele", erzählt der Fahrraddesigner, "jedes hat seine Geschichte, sein eigenes Temperament." Manche seien extrem dynamisch und wendig, fast schon aggressiv, andere wie ein Sofa. "Ich bin immer gespannt, wenn ich mich zum ersten Mal draufsetze: Was sagt es mir?"

Nicht zuletzt deshalb ist das so eine Sache mit dem Verkauf: "Wenn ich ein Fahrrad hergebe, tut es mir schon ein bisschen weh", gesteht Dopieralski. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 23.7.2013)