Künstlerische Befragungen einer Institution führen die Besucher in wahre Wunderwelten: "Occupy the Museum".

Foto: Impulstanz/ Kapuy

 Wien - Museen sollen nicht in die Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart und in die Zukunft gerichtet sein. Daran gibt es heute kaum Zweifel. Wohl aber an der Art, wie das umzusetzen wäre. Es ist ein Lernprozess. Und für diesen liefert jetzt das Projekt Occupy the Museum von Impulstanz in Zusammenarbeit mit dem Weltmuseum in dessen Räumlichkeiten ein gelungenes Beispiel ab. Eine performative Ausstellung, in der sich rund zwanzig zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit der Institution und ihrem Inventar auseinandersetzen.

Da liegt es etwa nahe, die Diskussion um die berühmte aztekische "Federkrone Montezumas", die hier gehütet wird, noch einmal anzustoßen, wie das die aus Chile stammende Wiener Choreografin Amanda Piña zusammen mit dem Künstler Daniel Zimmermann tut. Außerdem fragen die beiden nach Möglichkeiten, wie die Bewohner der "Osterinsel" Rapa Nui mit ihren im Ausland gelagerten historischen Artefakten Kontakt halten können. Piña und Zimmermann haben sich schon früher als Spezialisten im künstlerischen Umgang mit ethnologischen Problemstellungen bewiesen.

Solche Kunstprojekte sollen keine Lösungen anbieten, sondern verhärtete Standpunkte auflockern, neue Perspektiven öffnen. Da bei Occupy the Museum hauptsächlich darstellende Künstler mitwirken, betreten die Besucher wahre Wunderwelten aus in die Gegenwart gewendeten Ritualen: Florentina Holzinger und Vincent Riebeek veranstalten ein Initiationsexerzitium, Laia Fabre und Thomas Kasebacher üben eine Objektkonservierungszeremonie aus, und Andrea Maurer zerlegt mit Thomas Brandstätter wissenschaftliche Literaturen.

In das Fremde als Kulturaspekt führen Karl Karner und Linda Samaraweerová, und Krõõt Juurak tritt als extraterrestrische Spezies "KoOt" auf. Elisabeth Tambwe wiederum verbindet Orte und Bedeutungen mit künstlichen und echten Haaren. Und Magdalena Chowaniec inszeniert mit ihrer Band The Mob Fixing Freedom das Ritual der Okkupation musikalisch und mit Transparenten.

Noch spannender wird die hier angestoßene Debatte um Sinn und Aufgaben von Museen in Bezug auf ein weiteres Impulstanz-Projekt, das noch bis 11. August läuft: A Future Archeology auf dem Gelände der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik. Zwei der Initiatoren, die Ägypter Adham Hafez und Ismail Fayed, haben nach der Brandstiftung im Kairoer Institut d'Egypte während des Aufstands 2011 ein Tanzarchiv für den arabischen Raum (angesiedelt in Kairo, Köln und New York) gegründet.

Archive für die Gegenwart

Mit dem Institut d'Egypte gingen mehr als 150.000 Bände aus Ägyptens wertvollster Sammlung historischer Bücher unwiederbringlich verloren. Diese Katastrophe und ähnliche Fälle beeinflussen die Diskussion darüber, ob und wie lokale Kulturgüter zu deren Sicherheit über möglichst mehrere Orte verteilt werden sollen, erheblich. Und sie machen deutlich, dass das Bewahren von Kulturschätzen für künftige Generationen die erste Aufgabe der Museen bleibt. Doch ihre zweite muss ebenso wichtig genommen werden: immer neue Präsentationen dieser Archivalien in Zusammenhängen von Gegenwarten, die sich ständig verändern.

A Future Archeology ist ein Diskursprojekt mit dem Ziel, tradierte gesellschaftliche Strukturen auf ihre Veränderbarkeit hin zu erforschen. Occupy the Museum unternimmt ebenfalls eine Zukunftsarchäologie - mit künstlerischen Praktiken als lebendige Interventionen in der Institution selbst. Die Projekte von Occupy the Museum sind überaus realitätsbezogen. Und das hat etwas Magisches. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 5.8.2013)