Sie sind die 21,2 Prozent: Jene 1.342.157 Österreicher, die sich bei der Nationalratswahl 2008 ihrer Stimme enthielten. Warum? Sie sind enttäuscht, frustriert, desinteressiert, gleichgültig, verhindert oder verweigernd. Und ihr Anteil wächst bei Nationalratswahlen mit kleinen Unterbrechungen seit der flächendeckenden Abschaffung der Wahlpflicht kontinuierlich. (Siehe: Wo die Nichtwähler wohnen)

Die Motive hinter der Wahlenthaltung sind vielfältig: Aus mehr als 1.350 Postings zu einem User-Forum auf derStandard.at und einer Studie des IMAS-Instituts lassen sich sechs Kurzcharakteristika ableiten. Dabei sind Schnittstellen zwischen den einzelnen Motiven möglich. Jeder dritte Befragte gab bei der IMAS-Untersuchung Ende Juni an, dass er zwei oder drei Gründe für das Fernbleiben hat. 47 Prozent hatten ein Hauptmotiv.

Die sechs Typen der Nichtwähler

Die Frustrierten

"Mit dieser Politik habe ich nichts am Hut“ – die größte Gruppe der Nichtwähler ist jene der Protestierenden. Jeder Dritte gab bei der IMAS-Umfrage als Motiv an, dass er von der Politik insgesamt nichts mehr halte. Tenor: "Wahlversprechen werden immer gebrochen." Den Politikern gehe es nur um die eigene Karriere, nicht um das Wohl der Bürger. "Machtgeilheit", "Lügen" und "Korruption" seien die Basis der Politik. Der Frust nach der letzten Wahl sitzt noch tief.

Zitat User "Plattenseer": "Warum soll ich "HINGEHEN". Wir werden doch HINTEN und VORNE belogen, die sind nur scharf auf das Geld der Steuerzahler."

illustration: maria von usslar/derstandard.at

Die Desinteressierten

Mit Politik kann dieser Nichtwähler-Typ im Allgemeinen wenig anfangen. Die Themen sind uninteressant, ebenso wie die Persönlichkeiten. Welche Partei für welche Standpunkte steht, ist entweder egal oder unbekannt. Tenor: "Die da oben machen eh, was sie wollen."

Zitat User "hiasl": "Ich wähle nicht, weil mich das ganze Kasperltheater nicht interessiert."

illustration: maria von usslar/derstandard.at

Die Verhinderten

Urlaub, Krankheit, Wetter oder Beruf – der Verhinderte rechtfertigt sein Fernbleiben von der Urne bei Nationalratswahlen mit persönlichen Vorwänden. Bei Umfragen ist diese Kategorie die kleinste Gruppe, obwohl die Ausrede naheliegt.

Zitat User "desteufelsbeitrag": "Die Wahllokale haben nur bis 18h offen. AM TAG NACH DEM SAMSTAG!!!"

illustration: maria von usslar/derstandard.at

Die Gleichgültigen

"Eine Stimme mehr oder weniger, auf mich kommt es nicht an" – jene Wahlberechtigten messen ihrer Stimme keinen Wert zu. Selbst wenn sie wählen gehen würden, hätte das keine Auswirkungen: Auch neue Politiker können das politische System nicht ändern.

Zitat User "mICHAEL kLaIN": "ganz einfach... weil sich eh nichts ändert!"

Zitat User "Sixtus dohostdus": "Ich wähle NSA - die hören mir wenigstens zu."

illustration: maria von usslar/derstandard.at

Die Enttäuschten

Es gibt keine Partei oder Politiker, der oder denen man zutraut, seine Interessen zu vertreten – die Erfahrung hat die Enttäuschten mehrmals eines Schlechteren belehrt. Es gibt weder neue Gesichter noch ein geringstes Übel, deshalb wird die Wahlenthaltung bevorzugt. Das Niveau des Wahlkampfes sei enttäuschend verlaufen, die Diskussion der Parteien relevanter Themen habe gefehlt.

Zitat User "Schneggerle": "ich gehe definitiv nicht wählen, weil ich auf keinen Fall will, dass sich irgendein Politiker, egal welchen Coleurs, sich meine Stimme am Wahlabend auf die Brust heften kann. Wir kennen das ja, selbst Wahlverlierer reden das Ergebnis schön und eigenartigerweise hat jeder gewonnen."

Zitat User "Lena J": "Ich weiß einfach wirklich nicht, wen ich wählen könnte! Ehrlich! Beim besten Willen! Ich lese viel drüber, ich schau mir die Konfrontationen an. Weil ich mir denk: "doch, du musst hingehen, irgendwen wirst du wählen können!". Aber je mehr ich mich damit befasse, desto klarer wird, dass ich wirklich niemandem von diesen Kasperln meine Stimme geben will!"

illustration: maria von usslar/derstandard.at

Die Systemverweigerer

Die parlamentarische Demokratie ist das falsche System für Österreich. Die Politik habe mit Stillstand gezeigt, dass sie nicht funktioniert. Das Wahlrecht sei unfair, weil Kleinparteien durch die Vier-Prozent-Hürde keine Chance auf den Einzug hätten. Eine Unterscheidung zwischen Nichtwählern und ungültigen Stimmen fehle, auch eine Proteststimme solle als solche ausgewiesen werden. Zudem sei die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahren eine falsche Entscheidung gewesen.

Zitat User "I would prefer not to": "Welche Marionetten des Kapitals, der Banken und der Konzerne gerade am Ruder sind, ist eigentlich eh egal. Wahlen dienen nur der Legitimierung der Scheindemokratie in der wir leben. Wer politisch aktiv sein will sollte tunlichst nicht auf Wahlen und Parlamentarismus setzen."

(Text: Gerald Gartner/Illustration: Maria von Usslar, derStandard.at, 16.9.2013)

illustration: maria von usslar/derstandard.at