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Alexander Pschill und Alma Hasun in "Das Interview".

Foto: APA / Juri Tscharyiski/THEATER IN DER JOSEFSTADT

Wien - Regisseur Theo van Gogh wurde 2004 von einem muslimischen Fanatiker auf offener Straße ermordet. Der Niederländer hatte sich in seinem letzten Film kritisch mit einseitigen Koran-Auslegungen befasst. Das Interview war sein vorletzter Film. Dessen analytisches Vermächtnis gehört in das Fach Medienkritik. Die Grundthese klingt überschaubar: Wir alle spielen als Teilnehmer der Öffentlichkeit Rollen. Sie werden uns selbst dann, wenn wir uns frei wähnen, aufgezwungen.

Das Wiener Josefstadt-Theater wurde bestimmt von niemandem gezwungen, Das Interview aufzuführen. "Unter dem Eisernen" nennt sich eine aufwandsneutrale Reihe mit Kleinproduktionen. Das Interview von van Gogh und Theodor Holman ist auch gewiss der Traum jedes Besetzungsbüros. Ein bezaubernd schönes Fernsehsternchen (Alma Hasun) erhält Besuch von einem Journalisten. Der Interviewer fühlt sich als politischer Redakteur für It-Girls unzuständig. Zu allem Überdruss steht die Regierung vor dem Rücktritt. Pierre (Alexander Pschill) springt lediglich für einen erkrankten Kollegen ein. Er bekundet nicht das geringste Interesse an Katjas silikongestärkter Brust.

Brust oder Keule

Die Voraussetzungen für eine Verständigung sind denkbar schlecht. Pierre alias Pschill mimt das aufmüpfige Journalistenwrack. Er hat vor dem hohen, schlecht verputzten Loft der Mimin im Regen gewartet (Bühne: Eleni Boutsika-Palles), hat eine Dose Bier getrunken und ist am Entzünden einer Zigarette gescheitert. Die Zuschauer haben das Zustandekommen des Interviews auf Video (Jan Frankl) miterlebt. Die mit Sonnebrille maskierte Katja pirscht sich seitlich an den Quälgeist heran. Der klagt sein Leid ins Telefon: "Ich darf zwei Titten interviewen ..."

Nun dient ein Interview in aller Regel nicht der Anbahnung von Liebesverhältnissen. Interviews sind Spielformen des Sozialen; sie folgen einer Etikette und lassen das Gegenüber persönlich unangetastet. Hier hat der Interviewer nichts Besseres zu tun, als nach holprigem Einstieg die Narbe am Bauch zu entblößen. Er klagt Hollands Antwort auf Paris Hilton das Leid des Kriegsberichterstatters: "Granatsplitter in Bosnien!"

Katja hat da bereits an ihren Strähnen gedreht. Sie ist natürlich viel gerissener, als es ihr Blondsein erlaubt. Trotzdem wird nicht deutlich, welchen Narren die beiden aneinander gefressen haben könnten. Andere haben Das Interview als Totentanz inszeniert: so Martin Kusej, der Birgit Minichmayr als klamme Katja über einen Flokati-Teppich hetzte. Im Josefstadt-Theater buchstabiert Christina Tscharyiski (Regie) streng nach Vorschrift. Sie glaubt den Figuren jedes Wort. Die Schauspieler tun, als stünde das Schicksal des Abendlandes auf dem Spiel.

Offenbar trauen sie ihren Rollen nicht. Heraus kommt Stechuhrtheater: Nach eineinviertel Stunden ist der Dampf draußen. Müder Applaus. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 19.9.2013)