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Agnes Baltsa, hier 2005 bei einem Jubiläumskonzert der Staatsoper.

Foto: AP / Staatsoper /Axel Zeininger

Wien - Da kommt sie: stolz, aufrecht, blondes Haar fließt in ihren Nacken. Über Jahrzehnte hat Agnes Baltsa das Publikum der Wiener Staatsoper verzückt, hat hier 25 Partien gegeben, vom Octavian über die Isabella und die Carmen bis zur Küsterin. Nun ist die kraftvolle Diva, die im nächsten Jahr ihren 70. Geburtstag feiert, für einmal auf die Bühne der Staatsoper zurückgekehrt, mit Liedern aus ihrer Heimat. In einer Zeit, in der Griechenland nicht gerade in der Komfortzone der Sympathierankings europäischer Nationen zu finden ist, ist das auf jeden Fall eine gute Sache.

Das zentrale Thema des griechischen Liedes ist die Klage, der Molldreiklang ist sein natürliches Habitat, seine bevorzugte Gangart ist die schleppende. Da passt es gut, dass Baltsa eine große Tragödin ist: Ihr Blick strebt gern in die Galerie, und er tut dies mit einer Intensität, als erblicke sie dort wahlweise den Tod, das ewige Leben oder zumindest Direktor Meyer mit der Abendgage.

Die Bühnenlegende singt von einsamen Stationen, armen kleinen Krabben (eines der wenigen heiteren Lieder des Abends) und sterbenden Briefträgern. Baltsa bevorzugt den herb-intensiven Ton, erinnert fallweise an eine Mezzo-Piaf, im Forte kann ihr druckvolles Vibrato zur Waffe werden, zur Bedrohung. Doch in den zwischen Chanson und Schnulze changierenden Liedern fünf griechischer Komponisten des 20. Jahrhunderts schlägt die Kammersängerin auch leisere Töne an, sie wechselt kurz in den Sprechgesang, um danach wieder laut aufzuschluchzen: großes Drama. Ein Drama, welches sie in den letzten zwei Liedern - Baltsa ist eben ein Profi - noch einmal zu steigern versteht.

Am Bösendorfer findet Achilleas Wastor oft nicht über die flache Dynamik eines Barpianisten hinaus; das Extrovertierte ist nichts seins, im Leisen fühlt er sich wohler. In den Solostücken zeigen ihm die eigenen, virtuosen Arrangements mitunter die Grenzen seiner technischen Leistungsfähigkeit auf. Nach zwei Stunden ist der mediterrane Liederabend vorbei; Fans, Touristen und Griechen applaudieren begeistert. Ein balsamischer Abend für Griechenland und wohl auch für Baltsa.     (Stefan Ender, DER STANDARD, 20.9.2013)