Sogar der altehrwürdigen Kaiserin auf dem Neuen Platz in Klagenfurt wachsen im jungen Kärntner Kulturherbst luftige Flügel: "Angel Wings" von Wolfgang Semmelrock.

Foto: Mittersteiner

Klagenfurt - Das Pilotprogramm des neuen Kulturfestivals Transformale, das zurzeit in ganz Kärnten stattfindet, markiert einen Wandel in der Kärntner Kulturpolitik: In einer offenen Ausschreibung waren Kulturschaffende aufgerufen, ihre Beiträge zum Thema "Kostproben - Kunst, Kultur und Küche" einzureichen. Ein Kuratorium erstellte aus den Vorschlägen ein vielfältiges Programm mit Fokus auf Avantgarde und Experimentelles - für Kärnten ein echtes Novum, zählten doch früher massentaugliche Unterhaltungsevents zu den größten Posten im Kulturbudget. Die neue rot-schwarz-grüne Koalition ermöglichte nun ein Festival, das den Transformationsprozess in Kärnten sichtbar machen soll.

Schon die Auftaktveranstaltung am Pyramidenkogel sorgte für Überraschungen. Der neu errichtete Aussichtsturm überm Wörthersee wurde unter der Regie von Andreas Staudinger mithilfe des Publikums "eingeleuchtet". Der kulinarische Teil wurde nicht mit den vertrauten Kärntner Schmankerln abgedeckt, sondern von den Cooks of Grind in Form von Installationen und Performances serviert. Wer mutig genug war, kostete vom "pikanten Rein-dling mit gelber Urinade" oder betätigte die Paprikaorgel. In der "Rauchkuchl" spielten die Talltones. Für Kurator Tomas Hoke wurde an dem Abend der Holzturm, der sich spektakulär in den Himmel schraubt, vom einstigen Prestigeprojekt der FPK zum Wahrzeichen für ein neues Kärnten, das auch offen ist für Schräges.

Hoke hat nach der Wahl im März den Auftrag erhalten, ein neues Festival für die "Kultur der Transformation" ins Leben zu rufen. Trotz der knappen Vorlaufzeit wurden 109 Projekte eingereicht. Gemeinsam mit Kuratorin Ulli Sturm und Staudinger als dramaturgischem Berater wurden 21 ausgewählt und übers Kulturbudget finanziert. Die Kärnten-Werbung soll als Projektträgerin für die überregionale Strahlkraft sorgen. Auch wenn die Werbeleute damit Neuland betreten, ist für Hoke die Verbindung von Tourismus und Kultur durchaus sinnvoll: "Die Veranstaltungen der Transformale laden ein, Land und Leute wirklich kennenzulernen und lenken die Aufmerksamkeit auf brisante Randzonen."

Damit ist das historisch schwer belastete Grenzgebiet zu Slowenien gemeint. Zdravko Haderlap inszeniert hier von 26. bis 28. September Wanderungen mit Tanztheater in Wäldern und Höfen aus dem Roman Engel des Vergessens seiner Schwester Maja Haderlap. Sein rund 50-köpfiges Team aus Laien und Profis soll eine "verlorene Welt" wiederauferstehen lassen, unter anderem an der Gedenkstätte Persmanhof.

Vergangenes Wochenende hat das Universitätskulturzentrum Unikum einen interaktiven Ausflug ins Grenzgebiet organisiert: Marjan Stikar inszenierte mit seiner zweisprachigen Theatergruppe Trotamora ein Eisenbahntheater auf der Rosentalbahn, bei dem das Publikum Teil der Aufführung wurde, etwa eine Szene zu Fuß auf der schmalen Eisenbahnbrücke über der Drau erlebte.

Unter den Musikbeiträgen sticht das projekt.almrausch[en] auf der Turracher Höhe hervor: Jazz-Kontrabassist Lukas Kranzelbinder verwandelt morgen, Mittwoch, das Hotel Hochschober in einen Jazzclub mit dem Trio Mario Rom's Interzone; am Donnerstag werden bei einer Gipfelwanderung viele kleine Konzerte im Gebirgsambiente gespielt. Musikerinnen und Musiker vermischen dabei ihr Repertoire mit frei interpretierten Kärntnerliedern.

Wo die Kasnudel schwimmt

Die meisten Programmpunkte weisen einen kulinarischen Teil auf, manchmal auch im übertragenen Sinn: Sitzskulpturen in Tortenform in der Villacher Altstadt oder die schwimmende Riesenkasnudel der Kunstplattform Freiraum K. Bildende Kunst ist insgesamt unterrepräsentiert. Selbst Wolfgang Semmelrocks Einzelarbeit Angel Wings; eine Luftpolsterinstallation für die Maria-Theresien-Statue in Klagenfurt, ist eher unscheinbar geraten.

In Zukunft möchte Hoke deutlichere Schwerpunkte setzen: "Akteure aus Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft könnten Visionen für die Postwachstumsgesellschaft entwerfen". Außerdem soll das Festival international werden. Bis Anfang November läuft das Kooperationsprojekt Gourmetfestspiele im Thermenhotel Ronacher in Bad Kleinkirchheim. Neben Haubenküche und Promikochkursen stehen Wechselausstellungen mit Max Weiler, Herbert Breiter oder Anselm Glück auf dem Programm.(Martin Mittersteiner, DER STANDARD, 24.9.2013)