Zarathustra träumt von seinem Gott.

Foto: NESAR ZARIFI

Die "erste Frau" bereitet das Frühlingsfest vor.

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Haji Farouz versucht Zarathustra zu erheitern.

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Ein junger Mann betritt die Bühne. Er fühlt sich verfolgt. Sein Vater habe ihn verstoßen, seine Brüder würden versuchen ihn umzubringen, seine Freunde und Gefährten hätten ihn verlassen. 150, nein 1.000, nein 2.000 Dämonen seien hinter ihm her. Niemand nähme ihn bei sich auf, nirgendwo fände er Zuflucht, nirgendwo gäbe es Hilfe. Um wen handelt es sich da? Etwa um einen paranoiden Hysteriker oder um einen drogensüchtigen Obdachlosen in einer x-beliebigen Großstadt? Nein, das sind die Worte Zarathustras, des Gründers der ältesten monotheistischen Religion der Welt, denn so beginnt der erste (autobiographische) Teil des den Zoroastrianern heiligen Buchs Avesta. Und so beginnt auch Robert Quittas neues, ausschließlich aus Avesta-Originalzitaten bestehendes Stück "Zarathustra sprach" ("Zarthosht Goft"), das dieser Tage in Teheran seine Uraufführung erlebte.

Im Anfang war hier also nicht das Wort, sondern die Verzweiflung. Zarathustra heilt sich anschließend selbst, indem er "seinen" Gott Ahura Mazda findet (sich ihn erfindet?). Dieser nicht ganz uneitle Himmelsherrscher zählt zuerst in einer nicht unkomischen Suada seine unendlich vielen Namen auf: "Ich bin der Einzige. Ich bin der Größte. Ich bin der Schönste. Ich bin der Beste." Dann erklärt er dem hilfeheischenden Häufchen Elend, dass er sein Auserwählter sei und er die Erde nur für ihn erschaffen habe. Er müsse aber sein Prophet werden, ihn anbeten und ihm kostbare Opfergaben bringen.

Verstoßener Flüchtling

Der verstoßene Flüchtling, der soeben noch am Rande zum Selbstmord gewesen war, findet darin seine Lebensaufgabe und sein seelisches Gleichgewicht und verbreitet diesen Glauben im ganzen vorderen Orient. Der Rest ist (Religions-)Geschichte. Im Avesta (und in Quittas Stück) geht die Geschichte allerdings noch weiter. Der "erste Mensch" tritt auf mit seiner Kuh und macht die Erde fruchtbar und sich untertan. Durch die "Erbsünde" der Tötung der Kuh kommt jedoch das Böse in die Welt, und es folgt ein drei mal 3.000 Jahre lang währender Kampf zwischen den Kräften der Schöpfung (Ahura Mazda) und den Kräften der Zerstörung (Angrya Mainyu, Urform des Teufels).

Die eindrucksvoll archaischen Texte des Avesta sind auch hier durchaus nicht unkomisch: "Ich werde zehntausende kleine, giftige und bösartige Ameisen erschaffen. Ich werde zehntausende kleine giftige und bösartige Ameisen zerstören." Dieser irgendwo zwischen Kindergartenangeberei und "Krieg der Sterne" angesiedelte endlose Krieg wird jeweils nur kurz unterbrochen durch das Erscheinen der "ersten Frau", die singenderweise das auf zoroastrische Traditionen zurückgehende Frühlingsfest Nowrouz feiert und das Hereinplatzen des rotgewandeten persischen Clowns Haji Farouz, der für jenes Gelächter zu sorgen versucht, mit dem der Religionsstifter der Legende nach zur Welt gekommen sein soll.

Da dieser auch (als erster) lehrte, dass sich die Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse letztlich nur jederzeit in der Seele jedes einzelnen Menschen abspielt, akzeptiert hier folgerichtig am Ende der "weiße" Zarathustra den "schwarzen", seine dunkle Seite, seinen Schatten und Doppelgänger und geht mit ihm gemeinsam ab, während das von beiden entfachte "heilige Feuer" (bis zum heutigen Tage) weiterbrennt.

Ausnahmebewilligung des Vizekulturministers

Das kosmologische Menschheitsdrama, das drei Jahre lang im Iran keine Aufführungsgenehmigung erhalten hatte, konnte jetzt dank einer Ausnahmebewilligung des neuen Vizekulturministers, der damit wohl auch ein Zeichen für den neuen Kurs seiner Regierung setzen wollte, im Amphitheater des Musikmuseums Teheran in persischer Sprache präsentiert werden. Vor der eindrucksvollen Kulisse der Alborz-Berge bei Sonnenuntergang spielten Armin Antighechian (Zarathustra), Davood Moinikia (Angrya Mainyu), Mehdi Safari (der erste Mensch und Haji Farouz) und Maliheh Shooreshi (die erste Frau).

Da bei dieser Gelegenheit der Leiter der "Evaluierungskommission" aufgrund eigener Anschauung sein Veto gegen den Text nunmehr zurücknahm, darf davon ausgegangen werden, dass Quittas persisches Stück nächstes Jahr auch eine 30-tägige Aufführungsserie an einem regulären Teheraner Theater sowie vielleicht sogar auch ein Gastspiel am "Originalschauplatz" in Yazd, dem "Mekka" der Zoroastrianer bevorsteht. (Parvaneh Shabani, derStandard.at, 20.10.2013)