Das duale Lehrsystem hat in Österreich Tradition.

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Das duale Ausbildungssystem in Österreich nehme europaweit eine Vorreiterrolle ein, wird die Wirtschaftskammer nicht müde zu betonen. Die Lehrlingsausbildung, die nicht nur Unternehmen, sondern auch das Arbeitsmarktservice (AMS) anbietet, wird als ein Grund dafür angeführt, weshalb die Jugendarbeitslosenquote Österreichs im gesamteuropäischen Vergleich noch relativ gering ist. Doch was zeichnet das österreichische Modell aus?

Rund 40 Prozent der jungen Österreicher entscheiden sich dafür, eine Lehre in einem der rund 35.000 Lehrbetriebe in Österreich - und damit eine duale Ausbildung - zu beginnen. Das bedeutet, dass praktisches Wissen bei der Arbeit im Betrieb erworben wird. Fachtheoretische Kenntnisse werden in der Berufsschule vermittelt. Die betriebliche Ausbildung umfasst den größten Teil der Lehrzeit. Praxisnähe sei der größte Vorteil des österreichischen Systems, sagt Beate Sprenger vom AMS Österreich. So können Jugendliche die neuesten Technologien direkt im Betrieb kennenlernen.

Die österreichischen Lehrbetriebe bilden ihre Lehrlinge freiwillig und auf eigene Kosten aus. Allerdings gibt es auch diverse staatliche Förderschienen. Nach Beendigung der Lehre und Ablauf der Behaltefrist sind weder Lehrling noch Ausbildungsstätte dazu verpflichtet, das Verhältnis aufrechtzuerhalten. Die Lehre sei jedoch so konzipiert, dass "die Ausbildung auch mit der Nachfrage in der Wirtschaft zusammenpasst", erklärt Thomas Mayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw).

Ähnliche Systeme im deutschsprachigen Raum

In der EU gibt es die duale Ausbildung nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz. "Unterschied gibt es keinen nennenswerten. In Österreich spielt neben der Lehre auch die Vollzeitausbildung eine große Rolle", sagt Mayr. In Deutschland entscheiden sich nur rund 30 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen für eine Lehrausbilung.

"Eine Vorreiterrolle in der EU nimmt Österreich mit der Ausbildungsgarantie ein", sagt Sprenger. "Alle Jugendlichen, die eine Ausbildung machen wollen, bekommen, wenn sie keine Lehrstelle am Markt finden, vom AMS die Möglichkeit dazu. Durch die Ausbildungsgarantie ist das AMS der größte Lehrlingsausbilder in ganz Österreich. Pro Jahr finanzieren wir rund 12.000 solcher überbetrieblicher Lehrausbildungsplätze."  Laut AMS können 50 Prozent der Jugendlichen bereits nach dem ersten Lehrjahr auf eine Lehrstelle in einem echten Betrieb wechseln.

Arbeitsplätze nach Abschluss

"Ein weiterer Vorteil ist, dass Jugendliche nach Beendigung ihrer Ausbildung in Beschäftigung stehen und einen Arbeitsplatz haben", sagt Sprenger. Nimmt man die Arbeitslosenzahlen des AMS von September 2013, ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Österreich im Vergleich zum Vorjahr allerdings um 7,1 Prozent gestiegen. 6.866 Lehrstellensuchende standen im vergangenen Jahr 4.911 sofort verfügbaren Lehrstellen gegenüber. Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten wie zum Beispiel Spanien ist die Arbeitslosigkeit unserer Jugend dennoch niedrig. "Die Jugendarbeitslosigkeit ist auch in skandianvischen Ländern recht hoch. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich daher das Ziel gesetzt, Lehrlingsausbildungssysteme einzuführen und sie dort, wo sie bereits bestehen, weiter auszubauen", sagt Thomas Mayr.

In Frankreich beispielsweise stützt sich das Berufsbildungssystem vorwiegend auf berufsbildende Vollzeitschulen. Nur wenige, in etwa sieben Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, entscheiden sich für eine Lehre. Die "Apprentissage" wird ebenfalls in einem dualen System angeboten, genießt aber keinen hohen Stellenwert im französischen Bildungssystem.

Der Ruf der Lehre ist in Österreich deutlich besser. Das liegt auch daran, dass die Ausbildung zum Facharbeiter für bessere Beschäftigungsmöglichkeiten sorgt. "Während die Arbeitslosenquote von Personen mit nur Pflichtschulausbildung bei 19 Prozent liegt, so liegt sie bei Personen mit Lehrabschluss nur mehr bei sieben Prozent", sagt Sprenger.

Ständige Weiterentwicklung

Das österreichische Lehrlingssystem muss jedoch ständig weiterentwickelt werden. Dafür verantwortlich ist das Ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, das das duale Berufsausbildungssystem gemeinsam mit Institutionen und Unternehmen in den letzten Jahren zusehends adaptiert hat. So wurde die Lehrausbildung modularisiert, Lehrlingen und Betrieben steht seit 2012 ein Programm zu Coaching und Beratung zur Verfügung, und auch die Berufsmatura wird heutzutage für Lehrlinge kostenlos und parallel zur Lehrzeit angeboten. (Madleine Harbich, derStandard.at, 20.10.2013)