In die Seestadt Aspern sollen Ende 2014 die ersten Bewohner einziehen. Die größte Baustelle des Landes wird das 240 Hektar große Gebiet in Wien- Donaustadt aber vermutlich noch länger bleiben.

Foto: STANDARD/Cremer

Wien - Die Seestadt Aspern steht für das "neue Wien", wie man es gerne verkauft. Der smarte Stadtteil soll später das Beste von beidem, Stadt und Land, verkörpern. Hier soll einmal Platz sein für Karriere und Familie, Gesundheit und Lifestyle, das ganze Leben eben, so die Vision.

In nüchterne Zahlen übersetzt bedeutet das den Bau von 8500 Wohneinheiten für 20.000 Seestadt-Bewohner sowie 20.000 Arbeitsplätze vor Ort. Dafür wird das ehemalige Flugfeld Aspern in drei großen Etappen bis 2030 zur Seestadt erhoben.

Öffi-Anbindung "positiv"

Fährt man derzeit zur neuen U2-Endstation Seestadt, ist es noch etwas schwierig, sich den zukünftigen Stadtteil vorzustellen. 26 Baukräne dominieren das Bild, bei 16 Hochbauprojekten haben bereits die Arbeiten begonnen. Im Ansatz ist die zukünftige ringförmig angelegte Sonnenallee als breite Baustraße zu erkennen.

Martin Flicker, ÖVP-Abgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Wohnen, findet das Projekt Seestadt an sich in Ordnung. "Es handelt sich dabei um das größte Stadtentwicklungsgebiet Europas. Entwicklungen sehen wir bisher zwar wenig, dafür sind aber die wirtschaftlichen Verhältnisse verantwortlich zu machen. Positiv ist in jedem Fall, dass die Öffis diesmal rechtzeitig angebunden wurden", meint der Donaustädter.

Drei Wohnbaumodelle

Ende 2014 sollen die ersten Seestädter ihre Wohnungen beziehen. Bis 2015/16 werden im ersten Realisierungsschritt 2600 Wohnungen im Südwesten des Areals fertiggestellt. Dabei kommen drei Wohnbaumodelle zur Anwendung: geförderter Wohnbau (760 Mietwohnungen und 300 Studentenheimplätze), 1600 Wohneinheiten im Rahmen der "Wiener Wohnbauinitiative" (mit preisregulierten Mieten für Erstbezieher bzw. für die ersten zehn Jahre) und Baugruppen, in denen sich zukünftige Anrainer mit ihren Bauherren und Architekten formieren, um passende Wohnräume zu konzipieren.

Derzeit sind fünf Baugruppenprojekte in Umsetzung, und von diesen bietet einzig das Modell "JAspern" Eigentumswohnungen an (siehe dazu auch Artikel "Baugruppen nehmen das Wohnen selbst in die Hand"). Weitere Eigentumsprojekte sind derzeit nicht geplant. Zumindest gibt es von der Seestadt Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 noch keine Informationen dazu. Auch das Österreichische Volkswohnungswerk (ÖVW) hat laut eigenen Angaben zwar gemeinsame Mietwohnungsprojekte mit der Erste Bank in der Seestadt, Eigentumswohnungen sind aber vorerst keine dabei.

"Bessere soziale Durchmischung"

Für die ÖVP wären mehr Eigentumswohnungen in der Seestadt, passend zur Parteilinie, wünschenswert. "Natürlich wird auch der soziale Wohnbau dringend vonnöten sein. Ein entsprechender Anteil an Eigentumswohnungen muss aber auch errichtet werden."

Das sieht grundsätzlich auch Wiens Wohnbauforscher Wolfgang Förster so. Er zählt die Wohnbauinitiative aufgrund der Mietendeckelung zum geförderten Wohnbau (was unter Wohnrechtsexperten freilich umstritten ist). "Es wäre sinnvoll, dass in der Seestadt auch freifinanzierter Wohnbau entsteht - sonst kommen wir wo hin, wo wir nicht hinwollen, also in Richtung Sozialghetto. Man muss schon aufpassen, dass der soziale Wohnbau nicht überhandnimmt", sagt er zum STANDARD. Förster geht davon aus, dass in der zweiten Bauphase der Seestadt, im nördlichen Teil, "eine bessere soziale Durchmischung angestrebt wird" - auch mit mehr Eigentumsprojekten. (Madeleine Harbich, Martin Putschögl, derStandard.at, 10.11.2013)