Wien -  Es gibt sie gestrickt und geschneidert. Fröhlich-bunte, klitzekleine Wickeltücher mit Kapuze. In jedem von ihnen wird einmal ein totes Baby eingepackt sein.  Regina Lax und zwei weitere Frauen der Wiener Selbsthilfegruppe "Regenbogen" gehen in ihrer Freizeit einer heiklen und traurigen Beschäftigung nach: Sie nähen und stricken Babykleidung für Totgeborene oder für Babys, die kurz nach der Geburt verstorben sind.

"Es geht darum, einen wertvollen Rahmen zu schaffen", sagt Lax. Es sei schwierig, für diese ehrenamtliche Arbeit Freiwillige zu finden, "ich kann ihnen ja schließlich nicht versprechen, dass ich das Geld für den Stoff aufbringe". Außerdem fällt es auch Regina Lax nicht immer leicht, diese Totenkleider zu nähen. "Direkt Betroffene können das oft gar nicht. Das ist zu belastend. Da braucht es Abstand." Sie selbst hat nach dem Tod ihres Kindes einige Jahre Zeit gebraucht. 

Foto: Heidi Seywald

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, kennt unsere Kultur Riten, die Abschied nehmen leichter machen sollen. Das Begräbnis, das Trauerjahr, Allerheiligen, an dem jedes Jahr der Toten gedacht wird. Was aber mit Trauernden, die ihr Kind verloren haben, noch bevor das gemeinsame Leben beginnen konnte? Wer schwanger ist, ist in "fröhlicher Erwartung". Dass es auch Kinder gibt, die nicht lebend zur Welt kommen oder schon kurz nach der Geburt tot sind, darüber wird meist geschwiegen. Alleine im Wiener AKH gab es im vergangenen Jahr 36 Totgeburten sowie 103 Fehlgeburten bei 2227 Geburten.

Den betroffenen Eltern möchte der Verein Regenbogen helfen. Im Mai 2012 entstand das Kleider-Projekt im Zuge eines der Treffen der Selbsthilfegruppe. "Ich habe immer hobbymäßig geschneidert", erzählt Lax, "dann habe ich mir gedacht: Schauen wir einmal, was die Krankenhäuser dazu sagen".

Foto: Heidi Seywald

Seit damals hat der Verein 160 Kleider hergestellt, der größte Abnehmer ist das AKH (80 Prozent).  Noch im November soll sich auch die Rudolfstiftung daran beteiligen. Es ist dann das fünfte Krankenhaus, das Lax mit ihren winzigen Kleidern versorgt. Ob diese auch verwendet werden, liegt einzig und allein am guten Willen der Hebammen. Weil nicht nur Krankenhauspersonal, sondern auch Angehörige im Umgang mit den betroffenen Eltern in ihrer ersten Trauerphase oft überfordert sind, hat der Verein "Regenbogen" eine Art Leitfaden zusammengestellt.

So helfe ihnen etwa die Möglichkeit, ihr totes Kind waschen und anzuziehen zu dürfen. In manchen Spitälern werden auch Hand- oder Fußabdrücke angefertigt. Sehr wichtig sei es auch, sagt Lax, ein Foto zu machen, um so "den Trauerprozess besser bewältigen zu können". Der Umgang mit der Thematik habe sich über die Jahre “sehr verbessert”, sagt  Claudia Weinert, die auch in der Selbsthilfegruppe engagiert ist: “Ich war 2006 betroffen. Damals war man zwar bemüht, aber Antworten auf meine Fragen hat eine Nachtschwester im Internet recherchiert.”

 Recht auf Namen

Aber nicht alle Geborenen, die zu früh sterben, dürfen auch einen offiziellen Namen bekommen. Der Verein kämpft deshalb auch darum, für Kinder unter 500 Gramm Gewicht die Eintragung ins Geburtenregister zu ermöglichen. "Wir wollen, dass unsere verstorbenen Kinder auch als Menschen anerkannt werden", sagt Weinert. Mittels einer Petition soll Druck auf die Politik erzeugt werden – in Deutschland ist die Namenseintragung hingegen längst gängige Praxis.

Mit einer anderen Problematik aus diesem Themenbereich befasst sich künftig das  „Kinderhospiz Netz“. Ab April 2014 gibt es eine eigene Trauergruppe für Geschwisterkinder. Sechs bis 13-Jährige sollen dort die Möglichkeit bekommen, "einen stabilen Rahmen und einen geschützten Ort für ihre Auseinandersetzung mit dem Verlust zu finden". (Peter Mayr, derStandard.at, 1.11.2013)