Plakativ und effekthaschend, auf weiter Strecke kunstgewerblich: Gerhard Fresachers szenische Geisterbahnfahrt "Wetterleuchten auf der Zungenspitze" durch Texte Josef Winklers.

Foto: Garage X

Wien - Texte von Josef Winkler lesen - oder wie in einer Geisterbahnfahrt durch sie hindurchfahren: In der Garage X hat Regisseur Gerhard Fresacher die Weichen für Letzteres gestellt und versammelt eine Schar eigentümlicher Halbweltfiguren, die unter Einsatz drastischer Mittel (Kopf im Kübelwasser, Körper in Plastikfolie) ihre Sprachgebete ausstoßen. Schminke verrinnt, eine Frau wird in ihrem barocken Kleid mit der Tuckermaschine an die Wand gekreuzigt. Ein räudiger Sound (an der Gitarre: Peter ,Palme' Plos) gibt das Seinige dazu.

Fresacher hat aus drei Texten des Kärntner Schriftstellers eine kleine Collage gebaut - Der Leibeigene (1987), Leichnam, seine Familie belauernd (2003) und Die Realität so sagen, als ob sie trotzdem nicht wär oder Die Wutausbrüche der Engel (2011). Erweitert um neue Texte des Autors ergibt das die Uraufführung Wetterleuchten auf der Zungenspitze. Sie durchstreift viele Winkler-Motive wie Tod, Religion, Sexualität, enthält aber auch himmelhochjauchzend-ironische Reflexionen über die Künstlerposition, das schriftstellerische Arbeiten an sich (Stichwort Metaphernsuche).

Dabei wird der Prolog aus Leichnam, seine Familie belauernd zu einer immer wiederkehrenden Strophe: "Es fällt Schnee im Maquis, und das heißt für uns, unausgesetzt gejagt werden. Ihr in euren tränenlosen Häusern, mit eurem alle Liebe erstickenden Geiz darin." Wirklich folgen kann man den Abläufen und den ihnen eingeschriebenen szenischen Behauptungen aber nicht. Dafür hängt diese wild kompilierte Collage zu sehr in der Luft.

Es beginnt mit einer Art Homunkulus, einem in durchsichtiges Plastik gewickelten Körper (grandios: Nadine Zeintl), der sich mit maschineller Motorik über die Bühne bewegt. Ein Maler in hohen Hacken (Markus Kofler) nimmt seinerseits in Ausführungen immer wieder Bezug auf das Werk des Malers Gustave Courbet und vertieft so das Thema von Fleischlichkeit und Morbidität. Eine Sängerin (Sonja Romei) schickt ihre Schmerzensgesänge aus dem Bühnenhintergrund durch ein Megafon nach vorne. Und eine Bauchtänzerin schaut gegen Ende auch noch vorbei.

Was plakativ und effekthaschend beginnt und auf weiter Strecke kunstgewerblich bleibt, findet gegen Ende der knapp 70 Minuten Spielzeit zu ein paar überraschenden Momenten: Dann, wenn die Spieler ihr Performancespielfeld (durchgesessene Couch, Videoflimmern an der Wand, Plastikvorhang, Gitarre sowie Piano) ausgiebig durchpflügt haben und sich der Abend mehr für die Sprache zu interessieren beginnt. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 2./3.11.2013)