IWC-Kreativchef Christian Knoop (rechts) und Schuhmann Giuseppe Santoni über den Dächern der Wiener Innenstadt.

Foto: Heribert Corn

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Foto: Rione Magnusson für Johnér Images / Corbis

Ein Herbstnachmittag in der Wiener Innenstadt. Hoch oben, nämlich auf dem Dach des Haas-Hauses pickt ein quaderförmiges Häuschen ganz aus Glas. Darin steht ein großer Tisch, um ihn herum Sessel. Auf dem Tisch liegen ein ganzer Haufen verschiedenfarbige, edle Uhrbänder, die Christian Knoop von IWC mitgebracht hat.

Auch Giuseppe Santoni hat etwas zum Herzeigen, zwei fesche Paar Schuhe, frisch aus der Manufaktur bei Ancona. Eigentlich wollten die beiden Herren über Uhren und die Kooperation zwischen IWC und Santoni vortragen, denn der Schuhmacher liefert auch Uhrbänder in die Schweiz. Doch als der Kaffee serviert wird und Fotograf Heribert Corn nach getaner Arbeit mit dem Lift nach unten rauscht, kommt das Gespräch noch auf ganz anderes.

STANDARD: Wie viele Uhren besitzen Sie, Herr Knoop?

Christian Knoop: Einige.

STANDARD: Wie viele sind denn 'einige'?

Knoop: Ich möchte hier keine Zahlen nennen, aber ein paar sind es schon.

STANDARD: Herr Santoni, vielleicht möchten Sie uns sagen, wie viele Paar Schuhe Sie besitzen?

Giuseppe Santoni: Sehr viele. Ich meine wirklich viele. Ich sammle sie, hab ein ganzes Zimmer nur für sie mit einem großen Sessel in der Mitte. Ich mache auch Anpasstests für die Firma. Und es werden mehr und mehr.

STANDARD: Und wer kriegt die Schuhe, wenn Sie ausmisten?

Santoni: Freunde. Aber so viele kommen mir nicht aus dem Haus.

STANDARD: Ihre Namen stehen für noble Schuhe und teure Uhren. Ich trage an meinem Handgelenk Freundschaftsbänder aus Stoff. Geht das?

Knoop: Das tut der Santoni auch. Ich hab sie genau gesehen (lacht). Wie soll ich sagen? Das ist etwas Persönliches. Ich mag's gern klar und reduziert. Also ich würde so etwas nicht tragen.

STANDARD: Wie schaut's mit Stilregeln bei Schuhen aus? Da geht's ja mitunter recht streng zu.

Santoni: Wenn ich einen Mann treffe, dann schaue ich auf seine Schuhe und seine Uhr. Das sagt mir genau, mit wem ich es zu tun habe. In diese beiden Dinge sollte ein Mann schon etwas investieren.

STANDARD: Okay, mit wem haben Sie es in meinem Falle zu tun? (Anm.: trägt eine schwarze Junghans Max Bill und braune Chelsea Boots)

Santoni: Jeder hat seinen eigenen Geschmack. Casual Schuhe, zum Beispiel mit einem Kaschmir-Jacket kombiniert, gehen total in Ordnung. Wir produzieren auch Schuhe mit Gummisohlen. Es regnet ja auch manchmal. Zum Beispiel heute. Ach, es geht einfach um eine gute Balance.

Knoop: Stil ist doch keine Religion, kein Gesetz. Man kann auch ein bisschen damit spielen, auf eine sehr individuelle Art und Weise.

STANDARD: Gut, aber was ist denn nun mit dem berühmten No-Go? Zum Beispiel in Sachen Schuhen: No brown after six?

Santoni: Daran glaub ich nicht, das muss jeder selber wissen. Ich selbst trage auch vor 18 Uhr keine braunen Schuhe. Ich bin der blaue Typ. Ich hab auch ausgeflipptere Schuhe. Man muss einfach den richtigen Moment finden, um solche Stücke zu tragen.

Knoop: Also ich mag zum Beispiel keine rosa Hemden bei Männern. Ich weiß nicht, ob Sie rosa Hemden mögen, Herr Santoni?

Santoni: Ich hab kein einziges rosa Hemd! Noch nicht.

STANDARD: Wie steht's mit weißen Socken?

Knoop: Keine Chance!

Santoni: Ich habe schon einige sehr mächtige Herren mit weißen Socken gesehen. Ich war allerdings nicht in der Position, sie darauf hinzuweisen. Ich selbst würde so etwas auch vermeiden.

STANDARD: Zurück zu den Regeln: In England ist man offensichtlich strenger als im Hause Santoni und Knoop. In einem Regelwerk für moderne Gentlemen steht zu lesen, dass man zum Frack die weiße, zum Smoking die schwarze Schleife trägt. Wissen Sie, warum?

Santoni: Keine Ahnung, hab ich noch nie gehört.

Knoop: Nein, weiß ich nicht.

STANDARD: Die Antwort lautet, um sich vom Servicepersonal zu unterscheiden. Noch eine Frage aus dem Katalog?

Knoop: Ja, ich liebe diese Geschichten.

STANDARD: Man kann dort auch nachlesen, dass ein Handkuss niemals unter freiem Himmel gegeben werden darf. Was halten Sie davon?

Knoop: Aha. Nun, in der Schweiz werden wohl nicht so viele Hände geküsst wie hier.

Santoni: In Italien machen wir das schon, aber ohne mit den Lippen den Handrücken zu berühren.

STANDARD: Das weiß man nun aber wirklich, dass das nicht geht.

Santoni: Wir haben jetzt schon zwei Dinge gelernt. Vielleicht gibt's noch mehr?

STANDARD: Am Ende erfahren Sie noch etwas zum korrekten Verzehr von Erdäpfeln, aber lassen Sie uns nun über Preziosen reden. Auch wenn es vielleicht etwas verschroben daherkommt: Der große Designer Ettore Sottsass sagte einmal, den einzigen Schmuck, den ein Mann zeigen kann, ist die Frau an seiner Seite. Wie halten Sie es mit Männern und Schmuck?

Santoni: Ich finde, das hat der Sottsass hübsch gesagt. Ich trage nur Uhren und Manschettenknöpfe.

STANDARD: Und was ist mit den Freundschaftsbändchen, die Herr Knoop entdeckt hat?

Santoni: Das sind Erinnerungen an den vergangenen Sommer. Eines ist aus Griechenland, zwei stammen aus China.

STANDARD: Was hat es damit auf sich?

Santoni: In China glaubt man, sie spenden Energie und dass sie gut für die Körperbalance seien.

STANDARD: Und, wie sieht es mit Ihrer Körperbalance aus? Besser?

Santoni: Viel, viel besser (beide lachen)!

STANDARD: Wir reden hier über Stil. Was bedeutet das Wörtchen eigentlich?

Santoni: Stil ist etwas, das man nicht zum Leben braucht. Aber wenn man sich dafür entscheidet, mit Stil zu leben, dann lebt es sich viel besser. Und - was mir wichtig ist - jeder muss seinen Stil herausfinden, dafür gibt es kein Handbuch.

STANDARD: Haben Italiener mehr Stil als Deutsche?

Santoni: Das würde ich so nicht sagen. Es gibt in Stilfragen auch eine ganze Menge schrecklicher Italiener. Wir wollen nicht vorgeben, etwas Besseres zu sein. Italiener sind allerdings schon darin talentiert, gute Handarbeit und Qualität mit Design zu verbinden. Das schon.

STANDARD: Herr Knoop, Sie sind Deutscher. Was fällt Ihnen zum Thema Stil ein?

Knoop: Ich denke, Stil ergibt sich aus verschiedenen Dingen. Es geht um Identität, man könnte auch sagen, Stil ist ein Merkmal des Charakters. Auch eine Stadt hat ihren Stil, oder eine Marke.

STANDARD: Wie beschreiben Sie Ihren persönlichen Stil?

Knoop: So etwas ist schwierig zu beantworten. Was geschieht bewusst, was intuitiv? Ich mag auf jeden Fall Dinge, die eine gewisse Zeitlosigkeit ausstrahlen. Ich spreche von einer Art Fundament aus Traditionellem und Handwerklichem, von Dingen, die Wurzeln geschlagen haben.

STANDARD: Und Sie, Herr Santoni?

Santoni: Mir geht es sehr stark um den Begriff Qualität. Wir umgeben Qualität mit Stil und Zeitlosigkeit. Wenn Sie Qualität mit einem ganz besonderen Design verbinden, dann haben Sie die Chance auf ein Meisterstück, losgelöst von Lifestyle- und Stildiktat.

STANDARD: Anders gefragt: Bomberjacke oder Nadelstreif?

Santoni: Ich würde sagen, mein Ding ist eher konservativ mit einem auflockernden Detail, es darf aber nie zu viel sein. Am Wochenende ist eher casual angesagt.

STANDARD: Gibt's für Sie irgendeine Stilikone wie Steve McQueen oder David Niven?

Knoop: Nein, das Denken in solchen Kategorien ist mir fremd.

STANDARD: Herr Santoni, wie wäre es mit Marcello Mastroianni?

Santoni: Nein, gar nicht. Ich möchte niemanden hernehmen, der als Beispiel für etwas herhalten soll, das ich gerne sein würde.

STANDARD: Gibt es in Sachen Uhren eigentlich auch Stilregeln oder ein absolutes No-Go?

Knoop: Generell sollte eine Uhr zur Person passen, die sie trägt, zu ihrem Outfit, zur Situation, zu ihrem Status. Ein junger, lässiger Mann mit einer großen, schweren Uhr mit vielen Komplikationen ist doch eher ein unpassendes Bild. Umgekehrt passt wiederum eine Taucheruhr mit Kautschukband nicht zu einem elegant gekleideten Zeitgenossen.

STANDARD: Wie sieht es bei Ihnen mit Schmuck aus?

Knoop: Ich bin definitiv kein großer Fan von Schmuck für Männer. Eine Uhr und Manschettenknöpfe sind völlig ausreichend.

Santoni: In Italien sind Lederarmbänder zurzeit übrigens sehr hipp. Aber noch einmal: Ich glaube nicht an Regeln, die sind von gestern. Die Welt hat sich verändert. Wir leben in Europa, haben eine sehr lange Geschichte und Tradition, aber das haben andere Teile dieser Welt auch. Und es gibt dort völlig andere Regeln. Europa und die USA haben im Vergleich zum Rest der Welt so wenig Einwohner, da wäre es doch absurd, Regeln für die ganze Welt aufstellen zu wollen. Sei einfach du selbst.

Knoop: Aber dennoch spüre ich eine wachsende Sehnsucht nach solchem Regelwerk. Viele Menschen entdecken mehr und mehr diese alten Benimm- und Kleidungscodes. Vor zwanzig Jahren hat sich doch kaum jemand darum geschert. Ich kann mir vorstellen, dass das damit zu tun hat, dass Menschen gerade in einer mehr und mehr globalisierten Welt Orientierung in der Tradition suchen. Davon profitieren natürlich auch wir. Wer braucht schon wirklich eine mechanische Uhr? Aber die Menschen lieben die Dinge mit Tradition. Die Menschen interessieren sich auch wieder mehr für das Ikonenhafte.

Santoni: Ja, stimmt schon. Das ist auch in der Mode sichtbar. Man sieht heute 20-, 25-jährige Männer, die sich extrem klassisch kleiden und an alte Zeiten erinnern. Auch in der Damenmode gibt es viele Zitate alter Entwürfe. Aber das ist auch der Zyklus der Mode.

STANDARD: Wie schaut's mit Uhrbändern aus? Spielen die modisch überhaupt eine Rolle?

Knoop: Das Uhrband ist ein sehr wichtiger Teil einer Armbanduhr. Wir investieren sehr viel Zeit in diesen, und die diesbezügliche Kooperation mit Santoni ist ja eine Supersache. Ich denke, der Eindruck einer Uhr steht und fällt mit dem Band. Es ist etwas, das den Look einer Uhr, ihren Stil unterstreicht.

STANDARD: Wie kam es zur Zusammenarbeit von Santoni und IWC?

Santoni: Ich war immer schon ein Uhrenfreak. Und die Uhren von IWC passen gut zu Santoni. Es geht um etwas Klassisches, das dennoch zeitgenössisch daherkommt. Ich kenne Georges Kern, den CEO von IWC, gut, und irgendwann tauchte die Frage auf, warum man nicht Uhrbänder machen sollte, die zu Schuhen und Gürtel passen. Wir dachten, das wäre doch eine gute Kombination. So war das.

STANDARD: Wie ist das mit dem Wechseln eines Uhrbandes?

Knoop: Das tun viele Leute. Ich auch. Es verändert den Look der Uhr mitunter beträchtlich.

STANDARD: Also dann noch die versprochene Regel aus besagtem Benimmbuch: Es ist nicht erlaubt, Erdäpfel mit dem Messer zu zerkleinern. Dafür ist die Gabel da. War Ihnen das bekannt?

Knoop: Ha, das wusste ich. Das war bei mir zu Hause auch so.

Santoni: Ich esse nicht so viele Erdäpfel. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 15.11.2013)