Fast die ganze Familie: Karl Sibelius (li.) und Rainer Bartel mit den Kindern Ella und Jakob und den Hunden Goofy (Dogge) und Churchill (Shar-Pei). Katze Vladimir fehlt.

 

Foto: Sibelius

Gestatten! Hier hat es nun auch Vladimir, die Katze, auf das Foto geschafft.

Foto: Sibelius

Karl Michael Sibelius, derzeit Wahlmühlviertler, lebt mit seinem Partner, dem Universitätsdozenten Rainer Bartel, und den beiden Kindern Ella und Jakob in Helfenberg. Sibelius war unter anderem Intendant am Theater an der Rott im niederbayerischen Eggenfelden. Mit derStandard.at/familie spricht er über Mühlviertler Toleranz, politische Scheuklappen, ein Nein zur Verpartnerung als Protest und wie es für Kinder ist, mit zwei Vätern zu leben.

derStandard.at: Laut einer aktuellen STANDARD-Umfrage spricht sich eine Mehrheit der Österreicher für eine Homo-Ehe und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aus. Überrascht Sie das Ergebnis?

Sibelius: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Meine Familie und ich haben in unserem Alltag - wir wohnen auf dem Land - sehr deutlich gemerkt, dass das Einzige, was die Leute unsicher macht, die Angst vor dem Fremden, vor dem Neuen ist. Wenn man dann aber mit den Leuten kommuniziert, ist das ganz schnell erledigt und kein Thema mehr. In den Gesprächen merkt man dann auch sehr deutlich, dass die Menschen viel weiter sind als die Politik. Darum wundert mich auch das Ergebnis der Umfrage nicht.

derStandard.at: Aber warum hinkt die Politik so nach?

Sibelius: Es geht doch letztlich immer um Wählerstimmen. Und einen Wertekonservatismus, um eine Pseudoreligiosität. Man glaubt heute von politischer Seite leider immer noch, dass man Leute abschreckt, wenn man sich offen dazu bekennt, dass unsere Gesellschaft eben bunt und vielfältig ist. Nicht bunter und vielfältiger, als sie früher war - aber es wird heute offener darüber kommuniziert. Dass muss die Politik erst lernen.

derStandard.at: Sie wohnen mit Ihrem Partner und den beiden Kindern in der kleinen Mühlviertler Gemeinde Helfenberg. Spannend ist, dass sie erwähnt haben, dass Sie und ihre Familie gerade in dieser ländlichen Struktur viel Akzeptanz und Toleranz erfahren haben. Man sollte meinen, dass für eine so spezielle Familiengründung die Anonymität der Stadt vielleicht etwas hilfreicher ist.

Sibelius: Für uns hätte es nicht besser laufen können. Wir und vor allem meine Kinder wurden in Helfenberg unglaublich liebevoll aufgenommen. Wir haben unsere Tochter altkatholisch taufen lassen, und der Dorfwirt ist der Taufpate - die Dorfbewohner haben sich an die Familie mit den zwei Vätern gewöhnt. Was aber nicht zwingend mit einer ländlichen Struktur zu tun hat. Ich bin ja seit geraumer Zeit Intendant am Theater an der Rott und in Niederbayern. Da merke ich einen gewaltigen Unterschied zu Österreich. Es ist etwas ganz anderes - man merkt, wie sehr dieser Katholizismus die Menschen prägt und in den Gliedern sitzt.

derStandard.at: Für gleichgeschlechtliche Paare gibt es in Österreich die eingetragene Partnerschaft. Stellt Sie das zufrieden, oder sollte es die Möglichkeit zur Heirat geben?

Sibelius: Mein Partner und ich haben keine eingetragene Partnerschaft, weil es für uns eine Partnerschaft zweiter Klasse ist. Wir sind aus Protest nicht verpartnert. In unserem Fall hätte es nur negative Auswirkungen. Mein Mann Rainer hätte Ella gegenüber keine Rechte. Wenn wir es machen würden, dann wäre es eine rein wirtschaftliche Absicherung, unsere Liebe müssen wir nicht verbriefen. Prinzipiell bin ich natürlich dafür, dass homosexuelle Paare die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare haben. Die Adoption unserer Tochter Ella wäre übrigens nicht möglich gewesen, wenn wir verpartnert wären. Ich habe Ella als Single-Mann adoptiert, was gesetzlich kein Problem ist. Und da wir nicht verpartnert sind, hätte mein Mann die Möglichkeit, Ella zu adoptieren, sollte mir etwas passieren.

derStandard.at: Sie waren 2005 das erste Homo-Paar in Österreich, das ein Baby adoptiert. Wie schwierig war die Situation damals?

Sibelius: Es war wirklich extrem schwierig. Ella ist heute acht Jahre alt, mit zwei Wochen ist sie zu uns gekommen. Ich war damals 35, bin aufs Jugendamt in Linz gegangen und habe gesagt: Ich möchte ein Kind adoptieren. Gleich auf dem Gang hat die Dame geflüstert: "Herr Sibelius, das geht doch nicht. Sie sind ja homosexuell." Natürlich gehe das, habe ich entgegnet. Jeder Single-Mann, jede Single-Frau darf adoptieren. Mit diesem Argument habe ich das durchgezogen. Es gab dann etliche Krisensitzungen der Jugendämter, und letztlich hat man gesagt: Ja, es ist mein Recht. Kind werden sie mir aber keines geben. Dann wirst du auf Herz und Nieren getestet. Von der Gesundheit bis zum Schuldenstand. Als das Okay kam und wir eine Adoptionsgenehmigung in Händen hielten, haben wir in Chicago bei einem kirchlichen Verein unseren Adoptionswunsch angemeldet. Eine Frau, die im fünften Monat schwanger war, hat sich bereiterklärt, uns ihr Kind, unsere Ella, anzuvertrauen. Sie wusste, dass wir zwei Männer sind.

derStandard.at: Ihr dreieinhalbjähriger Sohn Jakob ist aber ein Pflegekind, warum nicht noch einmal eine Adoption?

Sibelius: Ehrlich, wir wollten nicht noch einmal den ganzen Wahnsinn über uns ergehen lassen. Vom Jakob sind wir jetzt beide die Pflegeeltern.

derStandard.at: Ihre Tochter geht bereits in die Schule, wie geht sie damit um, zwei Papas zu haben?

Sibelius: Kinder selbst haben doch ganz andere Probleme. Ella ist Afroamerikanerin und wird nicht einmal wegen der Hautfarbe gehänselt. Eher wenn sie einmal im Sport nicht so gut ist oder so. Sie geht sehr locker mit unserer Lebenssituation um: Ich bin der Papa, und Rainer ist der Papi. Und wir gehen natürlich auch in die Schule, sollte es Probleme geben - wir präsentieren uns bewusst als Eltern. Alles, was nicht geheimnisvoll ist, wird irgendwann mal uninteressant. Aber der Punkt ist, dass wir jede Frage, die das Kind stellt, auch ehrlich beantworten. Ella weiß, dass sie eine Mama hat und die Mama sie auch liebhat. Aber einfach nicht mehr in der Lage war, sie großzuziehen. Wir wollten sogar einmal die Mama in Chicago besuchen und haben schon die Koffer gepackt. Dann wollte Ella aber doch lieber nach Griechenland - man muss eben flexibel sein. (Markus Rohrhofer, derStandard.at, 15.11.2013)