"Man schaut mit den Augen", erklärt Hufschmied-Geselle Tim Greco. Mit dem Gesicht zu nahe an das Pferd zu kommen kann nämlich gefährlich werden: Nicht alle Tiere lassen das Beschlagen widerstandslos über sich ergehen.

Foto: derStandard.at/Zoidl

Für das Anpassen der Hufeisen entwickelt man ein "fotografisches Gedächtnis", erklärt Greco, während er ein Hufeisen für ein Pferd mit entzündeter Beugesehne zurechthämmert.

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Heute werden die Hufeisen meist fertig gekauft und nur noch selten vom Hufschmied selbst angefertigt. Das Anpassen übernimmt aber immer der Fachmann

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Den Hauptteil seiner Arbeit verrichtet Tim Greco in gebückter Haltung: Der Hufschmied-Geselle klemmt sich die Vorderbeine der Pferde zwischen seine Beine und bearbeitet den Huf, dass das überschüssige Horn nur so davonstaubt. Bis auf das entrüstete Wiehern eines Haflingers lassen an diesem Freitagvormittag alle Pferde ihre "Pediküre" ohne ein Zeichen von Nervosität über sich ergehen - obwohl im Nebenraum Hufeisen mit lautem Hämmern am Amboss bearbeitet werden.

Doch Pferde sind nicht immer so stoisch, und Hufschmiede leben gefährlich. In einer kurzen Pause erzählt Greco von den Verletzungen, die er im Laufe seiner dreieineinhalb Jahre dauernden Lehre zum Hufschmied an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erlitten hat. Darunter ein gebrochenes Wadenbein und ein gebrochener Lendenwirbel. Bei heftigen Tritten hilft auch die Schutzkleidung (Stahlkappenschuhe und Lederschürze), mit der man sich gegen Schnittverletzungen durch das eigene Werkzeug schützt, wenig.

Zwar betont Greco, dass es nicht nötig sei, mit dem Gesicht allzu nahe an den Huf zu kommen - gefährlich sieht sein Job trotzdem aus. Angst sei aber fehl am Platz, stattdessen müsse man Respekt haben und Liebe zum Tier mitbringen. "Wenn man die Menschen kennt, lernt man die Pferde lieben", fügt er lachend hinzu.

Auch eine gute körperliche Verfassung, handwerkliches Geschick und sehr viel Geduld müsse ein Lehrling mitbringen, denn: "Pferde können echt nerven." Im Idealfall sollte ein Hufschmied auch nicht zu groß sein, weil die gebückte Tätigkeit sonst belastend für den Rücken sei. Weil die Arbeit viel Kraft erfordert, sind Frauen in der Berufsgruppe unterrepräsentiert - laut der Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer gab es 2012 nur zwei weibliche Lehrlinge und 17 männliche.

Die Nachfrage steigt

Der Lehrberuf Hufschmied erlebte in den letzten Jahren ein Comeback. In den 1970ern wurde der Beruf von der Liste der offiziellen Lehrberufe in Österreich gestrichen. 2010 wurde er wiederaufgenommen. Immerhin gibt es in Österreich rund 100.000 Pferde - und viele brauchen alle fünf bis acht Wochen einen neuen Beschlag. Obwohl dafür mittlerweile größtenteils fertig gekaufte Hufeisen verwendet werden und die Schmiede daher nur noch selten traditionell an der Esse das Hufeisen anrichten und es dann am Amboss schmieden, wird der Beruf wohl nie aussterben: Auch gekaufte Hufeisen müssen vom Hufschmied angepasst und zurechtgehämmert werden.

Die Zahl der Interessenten für den Beruf ist größer als die Anzahl der Lehrstellen: Grecos Lehrmeister Wolfgang Hartl erhält zwischen zehn und zwölf Bewerbungen für jede ausgeschriebene Lehrstelle an der Schmiede der Veterinärmedizinischen Universität. "Und die Nachfrage wird größer", erzählt er.

In seiner Schmiede wird von Lehrlingen erst die dreijährige Lehre zum Metalltechniker absolviert und im Anschluss noch ein dreimonatiger Lehrgang für Huf- und Klauenbeschlag - eine Ausbildung, wie sie "seit den Zeiten Maria Theresias" existiert, so Hartl. Der Vorteil im Vergleich zur einfachen dreijährigen Hufschmiedlehre liegt auf der Hand: Statt nur eines werden gleich zwei Berufe erlernt - ein Plan B, über den viele wohl im Laufe ihrer Karriere froh sind: Aufgrund der gebückten Arbeitshaltung sind Rückenprobleme nämlich die Berufskrankheit schlechthin. "Darum gibt es kaum Hufschmiede, die 65 oder 70 Jahre alt sind", erklärt Hartl.

Arbeit mit "Problempferden"

Etwas anderes als Hufschmied sein - das kann sich Tim Greco heute gar nicht vorstellen. Seine Familie in Süddeutschland besitzt einen Bauernhof, und schon als Kind war er begeistert, wenn der Hufschmied an den Hof kam. "Für mich war klar, dass ich einen Job will, in dem ich mein eigener Chef bin und mit Pferden arbeite", erklärt er, warum seine Wahl schließlich auf diesen Beruf fiel. Und nach seinem ersten Lehrjahr durfte er das erste Mal ganz alleine ein Pferd beschlagen.

Heute ist das Routine: Es ist ein stressiger Tag hier im 21. Wiener Gemeindebezirk. Ein Pferd nach dem anderen wird von einer Tierpflegerin hereingeführt und von Greco und seinen Kollegen beschlagen. Die Pferde, die zur Schmiede der Veterinärmedizinischen Universität kommen, sind oft "Problempferde", die von den Ärzten der Universitätsklinik an die Schmiede verwiesen werden. Eines hat zum Beispiel eine entzündete Beugesehne und benötigt orthopädischen Beschlag. Für das Anpassen der Hufeisen an die Hufe entwickelt man "ein fotografisches Gedächtnis", so Greco, während er das kalte Eisen zurechthämmert.

Als letzter Patient des Tages wird ein Pferd mit Hufkrebs hereingeführt. Die Besitzerin ist für die Behandlung extra aus Bad Ischl angereist - ihr Hufschmied hat die Gewächse am Vorderhuf des Haflingers entdeckt. Heute sollen ihm die Hufeisen abgenommen und die Hufe für die Operation in der Universitätsklinik am Montag vorbereitet werden. Altes, abgenutztes Horn wird entfernt und der Tumor am Vorderhuf freigelegt. Dann wird dem Tier ein steriler Verband angelegt, den es über das Wochenende tragen muss. In den nächsten Wochen wird das Pferd eine Chemotherapie bekommen.

Stier statt Pferd

Neben Hufkrebspatienten gibt es mitunter noch viel ungewöhnlicheren Besuch: Vor einigen Monaten war eine Ungarin mit ihrem Ochsen zu Gast in der Hufschmiede. Sie wanderte mit dem Tier durch Österreich, und weil sich dabei dessen Hufe so schnell abnutzten, brauchte es Hufeisen. Ochsen seien aber viel gelassener als Pferde, erklärt Greco, daher sei das kein Problem gewesen: Das Tier wurde mithilfe eines Gabelstaplers in Liegeposition gebracht und dann beschlagen. "Wenn du das mit einem Pferd machst, bringt es sich um", erklärt er grinsend.

Gut ein halbes Jahr wird Tim Greco noch in der Schmiede mitarbeiten, dann will er - vorerst - in Österreich bleiben und sich in der Nähe von Wien selbstständig machen. Wohin es ihn dann verschlägt, weiß er noch nicht - vielleicht nach Amerika, in das Land der Cowboys: "Das ist das Schöne am Beruf: Pferde gibt es überall." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 24.11.2013)