Der Umgang mit dem Amtsgeheimnis in Österreich ist streng. Das fängt mit einer rigiden Definition der Geheimhaltungspflicht an: Unter sie fällt fast alles, was behördenintern besprochen und vorgeschrieben wird. Und es setzt sich in einem behördeninternen Weisungsregime fort, das mündlich erteilte Anordnungen schriftlichen gleichstellt: ein Umstand, der etwa im Abschiebefall Zogaj zu fast unlösbaren Loyalitätskonflikten untergeordneter Ministerialbeamter führte, als sie von ihren Vorgesetzten telefonisch angewiesen wurden, in internen Datensätzen nach Anzeigen gegen Familienmitglieder zu suchen, die eigentlich unter den Datenschutz fielen.

Die untergeordneten Beamten sind mit ihrer Unsicherheit nicht allein. Nichtbeamtete Bürger stehen dem Behördensektor, der wichtige Informationen aus dem Vollzug für sich behält, vielfach ratlos gegenüber. Keine Rede von Transparenz, im Gegenteil: Die weitläufige staatliche Geheimniskrämerei bietet einen Nährboden für die vertrauliche Weitergabe von Halbinformationen jeglicher Art.

Genau das dürfte im vorliegenden Fall der Sieben-Anzeigen-Affäre geschehen sein - dass eine interne Anweisung rechtswidrig geleakt werden musste, obwohl sie zum Teil von öffentlichem Interesse ist. Das bedeutet: Wären Behördeninterna in Österreich nicht derart unter Verschluss, man hätte sich den ganzen Skandal wohl erspart - und einem Beamten Schande und Suspendierung. (Irene Brickner, DER STANDARD, 25.11.2013)