Im "Unileaks"-Kasten an der Uni Kassel können anonym Hinweise auf geheime Militärforschung deponiert werden.

Foto: AK Zivilklausel Kassel

Berlin/Wien - Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner forscht dafür: So könnte das Motto der Debatte lauten, die derzeit an Universitäten in Deutschland geführt wird. Zahlreiche Initiativen fordern die Einführung einer sogenannten Zivilklausel. Zwei Grundsätze sollen somit für die Universitäten verbindlich sein: Erstens: keine Kooperation mit Rüstungsfirmen und dem Militär. Zweitens: keine kriegsdienliche Forschung.

1986 wurde an der Universität Bremen eine solche Klausel erstmals eingeführt. Weitere 13 deutsche Hochschulen sind bis heute diesem Beispiel gefolgt.

Sie werden wohl nicht die einzigen bleiben, denn auch an anderen Standorten engagiert man sich für die Klausel. "Von einer 'Bewegung' kann man erst seit den Studierendenprotesten von 2009 sprechen", sagt Lucas Wirl, Sprecher der Initiative "Hochschulen für den Frieden - Ja zur Zivilklausel", auch wenn diese Forderung in der Friedensbewegung schon lange diskutiert worden sei.

Es gehe darum "ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Forschung nicht im wertfreien Raum stattfindet und nicht alles, was möglich ist, gewollt sein muss", sagt Ruben Reid, Koordinator des Studierendenarbeitskreises, der die Zivilklausel für die Uni Kiel will. Dort haben die Studierenden mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Aber es finden sich auch Gegner: "Diese Klausel schafft keinen Frieden und bringt dafür Unfrieden an die Universität", sagt Joachim Krause, der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel. Wissenschaftler, die militärische Fragen bearbeiten, würden pauschal regelrechtem Mobbing ausgesetzt, kritisiert er.

Eigeninitiative statt Klausel

Die Zusammenarbeit mit Unternehmen sei grundsätzlich eine gute Möglichkeit, um die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm zu holen. Vor allem aber würde laut Krause die Freiheit der Wissenschaft eingeschränkt. Die Klausel der Vorreiteruniversität Bremen hält er gar für verfassungswidrig. Auf dem Weg zur Klausel wurde in Kiel ein Zwischenschritt gesetzt: Eine Ethikkommission wurde eingerichtet, die fragwürdige Projekte begutachten soll. Doch sie setzt auf die Eigeninitiative der Forscher, nur sie selbst können ihre Projekte zur Überprüfung vorlegen.

Die Betonung der Eigenverantwortlichkeit der Wissenschafter statt einer Grundsatzklausel hält Bernd Ladwig, Professor am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Uni Berlin für den richtigen Weg. Dort entzündete sich die Debatte bezüglich der Zivilklausel an einem Projekt, das die Einstellung der afghanischen Bevölkerung zur Militärpräsenz der Bundeswehr erforschte.

"Die Kooperation mit der Bundeswehr kann kritisiert werden, aber ich sehe keinen Grund, sie pauschal auszuschließen. Die Studierenden beziehen sich auf das Friedensgebot des Grundgesetzes. Dort ist die Bundeswehr genauso verankert und kann daher schlecht als verfassungswidrige Einrichtung gelten", führt Ladwig aus. In der Sicherheits- und Konfliktforschung bedürfe es manchmal militärischer Schutzmaßnahmen, um in die Forschungsgebiete zu gelangen.

Während in Berlin noch diskutiert wird, wurde an der Uni Göttingen schon Anfang des Jahres eine solche Klausel verabschiedet. Die Angelegenheit sei damit aber nicht abgeschlossen, sagt Cornelia Seiberl von der dortigen Studierendenvertretung: "Es reicht nicht, die Klausel bloß als Absichtserklärung in die Satzung aufzunehmen. Man muss sie mit Leben füllen und die Universitätskultur grundsätzlich verändern." Das bedeute auch, dass man sich langfristig von der Finanzierung durch Drittmittel löse.

Keine Debatte in Österreich

Die Zivilklauseldebatte regt dazu an, prinzipiell die Rolle privater Gelder in universitärer Forschung zu hinterfragen. In Österreich, wo über Zivilklauseln kein Wort verloren wird, fehle auch diese allgemeine Sensibilität gegenüber gesponserter Forschung, ist der Eindruck von Karla Fach.

Die Berlinerin studiert in Wien Molekulare Biologie - ein Fach, in das Unternehmen generell viel Geld investieren. Sie begann zu recherchieren, wie und von wem solche Förderungen an die Universität kommen und war entsetzt über die Intransparenz.

Auch herrsche großteils Desinteresse an dem Thema. "Selbst die Professoren haben wenig Durchblick, woher das Geld kommt und wofür ihre Forschung verwendet wird", sagt Fach. Weder das Ministerium noch die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) seien ihr von großer Hilfe gewesen. Überall heiße es, das sei ein wichtiges Thema, aber man habe keine Zeit. Fach würde gerne den Anstoß zu einer österreichischen Zivilklauselbewegung geben.

"Zurzeit gibt es nur sehr wenige Diskussionen zu dem Thema, vor allem nicht in den Entscheidungsgremien im Hochschulsektor", bestätigt die ÖH. Natürlich fließt auch hierzulande Geld von Konzernen an die Unis. Die ÖH nennt die Zusammenarbeit der OMV mit der Montan-Uni Leoben sowie die nach Unternehmen benannten Hörsäle an der Wirtschafsuni Wien als Beispiel. Man stehe dem kritisch gegenüber und wolle in nächster Zeit eine Diskussion darüber anreißen - auch über eine Friedensklausel. "Wissenschaft darf sich in keine Abhängigkeiten begeben", sagt Bernhard Lahner vom ÖH-Vorsitzteam. (Julia Grillmayr Johannes Lau, DER STANDARD, 21.11.2013)