An der Schulfrage schieden sich schon immer die Geister. Sie war stets auch ideologisch besetzt und hatte deshalb das Potenzial, Koalitionen zwischen den beiden größten Parteien an den Rand des Scheiterns zu bringen. Oder Minister zum Rücktritt zu veranlassen, wie Theodor Piffl-Percevic (ÖVP), der 1969 an der Einführung eines neunten Gymnasialjahres scheiterte.

Unterschiedliche Konzepte liefern auch jetzt wieder Konfliktgründe und prägen daher die Regierungen auf Bundes- und Landesebene. Die große Koalition auf Bundesebene, grüne Regierungsbeteiligungen auf Landesebene - das hat massive Auswirkungen auf das österreichische Schulsystem.

Dogmatisches Festhalten

ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat in einem Interview in der Wochenendausgabe des STANDARD sein geradezu dogmatisches Festhalten an der Langform des Gymnasiums verkündet, obwohl die nie wirklich dominant war. Und er hat damit seinem Chefverhandler in Bildungsfragen, dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, ausgerichtet, keine Konzessionen Richtung Gesamtschule zu machen.

Das hat Weisungscharakter. Denn Haslauer gehört zu jenem "Westblock" in der ÖVP, der für Reformen im Sinne einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen aufgeschlossen ist. In Tirol wurden mehrere Gesamtschulen gestartet, eine in Innsbruck ist in Planung - beeinflusst vor allem vom Südtiroler Modell, das dort bereits seit Jahrzehnten erfolgreich wirkt. Und forciert von den Grünen in der Regierung. Südtirol liegt bei den Pisa-Ergebnissen beim Lesen 20 Punkte vor Österreich.

Wenn sich also auf Regierungsebene die Ost-ÖVP-Blockade gegenüber der Gesamtschule durchsetzen sollte, käme es zu einer Zweiteilung des österreichischen Schulsystems - aber auch zu einer Spaltung innerhalb der ÖVP, weil ja beispielsweise der Wirtschaftsbund zur Gesamtschule positiv eingestellt ist.

Spindeleggers Doppelfront

Spindelegger, dem im Vergleich zu seinem Vorvorvorgänger Wolfgang Schüssel die Lust am Taktieren fehlt, hat sich in der Gymnasialfrage so stark eingebunkert, dass er dadurch gleich zwei Fronten schafft. Eine zur SPÖ inklusive Gefährdung einer Koalitionseinigung, eine in der eigenen Partei, die den Zusammenhalt schwächt.

Die verschiedenen Signale aus der Verhandlerszene zeigen ja, dass angesichts der Verhärtungen so komische Ideen auftauchen wie eine "zweijährige Orientierungsphase" zwischen Volksschule und Gymnasium. Flugs wurde sie "Gesamtschule light" getauft. Fehlt nur noch die Idee eines "Gymnasium heavy" mit Althochdeutsch und Gotisch.

Es ist ja auch etwas weitergegangen. Die Neue Mittelschule wird akzeptiert, und die Berufstätigkeit beider Eltern erzwingt die Ganztagsschule. Flächendeckend.

Wenn es SPÖ und ÖVP ernst meinen mit der Zukunft des Schulsystems (und jener der österreichischen Jugend), dann sollten sie schleunigst entscheiden:

  1. Gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen ja oder nein.
  2. Gymnasium als Oberstufe ja oder nein.
  3. Wiedereinführung von Prüfungen nach der Volksschule ja oder nein. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 2.12.2013)