Wien - Die tattrigen Reste der Otto Schenk-Inszenierung (222. Aufführung) also, in welcher der um Freiheit ringende Erdling so winzig erscheint: Ihr riesiges Mauerwerk überragt die Figuren monumental und spiegelt so zumindest jedoch den repressiven Druck der Machtverhältnisse wider, unter dem gelitten wird. Auch das Werk selbst allerdings, Ludwig van Beethovens Fidelio, wirkte an diesem Abend wie eine Art monumentales Operngebilde der drückenden Sängerherausforderungen.

Anders der Eindruck beim Orchester, was zunächst einiges an Hoffnung erwachen ließ: Das instrumentale Staatsopernkollektiv zog die Ouvertüre unter Dirigent Franz Welser-Möst so flott wie prägnant durch, strahlte Frische und Verve aus. Und ohne je grob zu klingen, war es ein Advokat des Stürmisch-Drängenden, der dann sogar klare Momente des samtigen Innehaltens im Angebot führte. Es begann an der Staatsoper also furios, und zumindest im Orchestergraben blieb es den ganzen Abend lang ein packendes Vergnügen.

Mit so viel entgegenschwingender Instrumentalenergie müsste die Sängerschaft erst einmal klarkommen, um mithalten zu können. Und zweifellos gab man sich Mühe. Selbige war dann über weite Strecken auch zu vernehmen: Ildikó Raimondi (Marzelline) klang ein bisschen unscheinbar, spielte aber profund-zerbrechlich ein verliebtes Mädchen. Routinier Matti Salminen (als Rocco) berückte zumindest durch seine Präsenz.

Tomasz Konieczny (als Don Pizarro) schaffte es hingegen nicht, vokal jene Schärfe zu transportieren, die seinem recht bösartigen Charakter die nötige Überzeugungskraft verliehen hätte. Dazu wirkte seine Textbehandlung gar zu wattig, zu schwammig. Immerhin sang Boaz Daniel (als Don Fernando) respektabel, während das Hauptpärchen wiederum in Summe nicht problemfrei blieb.

Ricarda Merbeth (als Leonore) verfügte über jene dramatischen Höhen, die erforderlich sind, einen Repertoireabend zu stemmen. Über weite Strecken jedoch hörte man Unsicherheit und die Absenz von Nuance. Keine runde Sache. Schließlich Peter Seiffert als Florestan: Der große Wagner-Sänger brachte seinen lyrischen Zauber ein, wo es eben ging. Bedauerlicherweise fordert die Partie weitaus mehr, weshalb sich bei Seiffert gewisse dramatische Nöte einstellten.

Seltsamer Abend: Premierenniveau im Orchestergraben, große vokale Kämpfe auf der Bühne. Repertoiretheater der Höhen und Tiefen eben. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 21./22.12.2013)