Punsch ist im allgemeinen widerlich. Ich verstehe den Drang, auch im Winter gelegentlich an die frische Luft zu kommen, und sich dabei zu betrinken ist ob der widrigen Witterung auch keine schlechte Idee. Warum aber Menschen sich dafür ausgerechnet diesen Schrecken aus dem Siruptank in den Rachen gießen müssen, ist mir komplett schleierhaft.

Ich habe heuer glücklicherweise nur einen Punsch an einer Punschütte erlitten – und auch das nur, um ihn einer Australiern mit wohligem Gruseln vorzuführen. Deren Faszination für die Punsch saufenden Massen hat mich aber ins Grübeln gebracht: Ist Punsch an sich einfach widerlich? Oder ist er nur widerlich gemacht?

Angesichts des verlotterten Zustands des modernen Punschs bin ich bei der Recherche weit zurück gegangen: Drei der getesteten Punschrezepte – Punsch, Eierpunsch, warmer Bischof – stammen aus dem 19. Jahrhundert – nur der Iced Punsch ist eine moderne Eigenkreation. Trinkbar waren sie alle, einer sogar ziemlich gut.

Foto: tobias Müller

Punsch, erklärt mir Wikipedia, geht auf das Sanskrit-Wort paansch zurück, was "fünf" bedeutet, und auf seine klassischen Zutaten verweist: Alkohol, Zucker, Zitrone, Tee und Gewürze. Wikipedia sagt nichts zur Verwandtschaft mit dem deutschen "panschen", es würde aber Sinn ergeben, wenn diese Brauer-Beschimpfung ihren Ursprung in der Punschschüssel hätte. Im frühen 17. Jahrhundert soll der Punsch jedenfalls aus Indien nach England gekommen sein – und von dort aus seinen Siegeszug nach Europa angetreten haben.

Die Rezepte für klassischen Punsch und Eierpunsch stammen aus der goldenen Zeit des Punsches – und aus Luise Seleskowitz' "Wiener Kochbuch" von 1883. Der "Warme Bischof" kommt aus dem Europäischen Mutterland des Punschs, aus England (dort heißt er "Smoking Bishop"), und wurde von Dickens so geschätzt, dass er ihn im "Christmas Carol" verewigte. Das Rezept findet sich ebenfalls bei Seleskowitz, ich habe es etwas angepasst.

Generell gilt: Wer schlechte Zutaten zusammen mischt, muss sich nicht wundern, schlechte Drinks zu bekommen. Sparen Sie nicht, schon gar nicht beim Rum. Ich habe mich von den sehr netten Menschen hier beraten lassen. Für die historischen Rezepte habe ich einen Sea Wynde genommen, der mir als "Rum mit dem Vorschlag-Hammer" und daher den Produkten des 19. Jahrhunderts am ähnlichsten beschrieben wurde. Die Verkäufer haben nicht gelogen. Wer es ganz authentisch will, nimmt Arrak – der ist aber meines Wissens nach sehr selten – etwa hier – zu bekommen.

Luise Seleskowitz' Original Wiener Punsch

Seleskowitz' Rezept ist bestechend einfach und erfrischend ungewürzt: Den Saft von vier Orangen und einer Zitrone, einen viertel Liter Rum und einen halben Kilo (sic) Zucker mischen und ziehen lassen. Einen Liter starken Tee brühen, mit dem Rest mischen und servieren, das wars. Als gute Gastgeberin besteht Selevkovics bloß darauf, dass die Rumflasche mit auf den Tisch gestellt wird.

Ich habe die Zuckermenge anfangs halbiert und dann immer noch mehr als die Hälfte des Zuckers nicht in den Punsch gerührt – er setzt sich ohnehin unten ab und kann weggelassen werden. Das war definitiv eine gute Idee – versuchen Sie es mit etwa 100 Gramm. Das Ziehenlassen der Zucker-Saft-Rum-Mischung zahlt sich aus, das Ergebnis wird runder, harmonischer, weniger scharf im Geschmack. Der Drink ist erfreulich fruchtig, zart alkoholisch und hat eine hübsche Farbe – der ideale Begleiter für einen gediegenen Canasta-Nachmittag.

Foto: tobias Müller

Eierpunsch

Der Großvater des Egg-Nogg, überraschend erfrischend, mit viel Körper und zarter Zitrusnote. 100 Gramm Zucker (Selevkowitz nimmt 200), 250 ml Wasser, 250 ml trockenen Weißwein, zwei Eier, zwei Eigelb, und die abgeriebene Schale einer Orange mischen. Das ganze in einer Schüssel über einem Wasserbad erhitzen und ständig kräftig schlage (oder einen elektrischen Schneebesen nehmen) bis es ordentlich aufgeschäumt hat und heiß ist. Nicht kochen lassen. Den Saft von zwei Orangen und einer Zitrone und 125 ml Rum dazu gießen, nochmals über dem Wasserbad schlagen und erhitzen. Durch ein Sieb gießen und kalt werden lassen. Nie ohne Kuchen servieren.

Foto: tobias Müller

Warmer Bischof

Zart rauchig und angenehm bitter, der Glühwein für den Herren. Die Idee ist hier, die wunderbaren Aromen der Sevilla-Orange dem Punsch dienstbar zu machen. Allein, in Österreich ist die derzeit schwer zu bekommen, der Herr Crupi hat mir erklärt, dass sie bei seinen Eltern auf der Plantage erst im Jänner reift. Denns hat zwar am Telefon behauptet, welche zu bekommen, das hat sich aber vor Ort als unhaltbare Behauptung entpuppt. Wer welche sieht: zuschlagen. Als Ersatz – der das Original sicher nicht erreicht – wird wahlweise eine Mischung aus Orange und Zitrone oder Grapefruit empfohlen. Ich habe auf alle drei gesetzt.

Foto: tobias Müller

Die Schalen der Zitrusfrüchte einschneiden und sie über glühenden Kohlen ordentlich bräunen (wenns sein muss: ab ins Backrohr, 220 Grad, 20 Minuten).

Foto: tobias Müller

Eine Flasche Rotwein (keinen grauslichen, siehe Rum), 100 Gramm Zucker (für Herbe: 50 Gramm), ein paar Nelken, einer Stange Zimt und etwas Zitronen- und Orangenschale erhitzen, aber nicht kochen. Die gebratenen Früchte vom Grill nehmen, mit dem Wein übergießen und bis zu 24 Stunden ziehen lassen. Die Früchte pressen (kosten, mitunter reicht der Saft einer halben Grapefruit), den Saft mit dem Wein mischen, erhitzen und servieren.

Der Name kommt übrigens angeblich von der Farbe, die an die Bischofsrobe gemahnt.

Foto: tobias Müller

Iced Punsch

Trotz gesellschaftlicher Eigenlobs-Ächtung: eindeutig der beste der vier. Sehr runder, harmonischer Drink, teeig, rumig, gut. Einzige Gefahr: Unachtsam oder zu schnell zubereitet, fehlt ihm mitunter etwas Körper. Der von mir sehr geschätzte Penicillin ist Pate gestanden. Ich habe deswegen zu einem sehr rauchigen Rum (Ron Caroni, Sansibar, 15 Jahre gereift) gegriffen, der fast ein wenig an Whiskey erinnert. Mix-Könner: Ich verstehe nichts vom Mixen. Wenn die beschriebene Zubereitung besser/anders geht, bitte ich um Postings.

Eine Orange und eine Zitrone grillen, mit 200 ml starkem Schwarztee übergießen und eiskalt werden lassen. Die Früchte pressen und den Saft mit dem Tee mischen. 40 ml Wasser, drei ordentliche Teelöffel dunklen Honig, einige Scheiben Ingwer und gehackte Rosmarin-Nadeln erhitzen und danach einige Minuten ziehen lassen. Der Rosmarin sollte deutlich schmeckbar sein. Vier Teile Tee, zwei Teile Rum und einen Teil Sirup auf Eis mischen und kosten, eventuell etwas Honig hinzu fügen. Sieben und über Eis mit zwei dünnen Ingwer-Scheiben servieren.

Foto: tobias Müller

(Tobias Müller, derStandard.at, 22.12.2013)