Warten beim Anmeldeschalter und im Sitzbereich einer Ambulanz im Donauspital im 22. Bezirk in Wien: Laut den Ärzten ist es ein "sehr ruhiger Tag".

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Die junge Frau, blass wie der Mond, an die schmale Taille ein blondes Kleinkind gestemmt, hält sich nur mit Mühe auf den Beinen. "Wo ist die Notaufnahme?", ruft sie dem Portier am Haupteingang des Donauspitals in Wien zu. "Für Sie oder das Kind?", fragt der Bedienstete. "Mich!", ruft sie, die Stirn in Falten gefächert. "Da gerade durch", deutet ihr der Mann, und sie eilt fort.

Nur eine Viertelstunde später steckt im Arm der jungen Frau bereits eine Infusionsnadel, das Kind knabbert an einer Semmel. Die beiden dürften sich bei Bekannten mit Rotaviren angesteckt haben, sie warten nun auf weitere Untersuchungen. Mit ihnen befinden sich kurz nach neun Uhr früh etwa fünf weitere Patienten bei der Notfallambulanz des zweitgrößten Spitals Wiens im Wartebereich. Hier ist erst in den Nachmittagsstunden Hochbetrieb, wenn die Fachambulanzen im ersten Stock geschlossen sind, erklärt der leitende Arzt, Klaus Herbich.

Morgendliches Gewurl

Und tatsächlich: Im ersten Stock wurlt es. Kaum ein Sitzplatz ist frei. Unter den Wartenden ist eine Mutter mit ihrer sechseinhalbjährigen Tochter, die ein Malbuch auf einen Stuhl gebreitet hat. "Sie hat Bauchweh", sagt die Frau, die seit einer Dreiviertelstunde in der Kinderambulanz darauf wartet, aufgerufen zu werden. "Man muss hier immer etwas Zeit einplanen", sagt sie und ergänzt: "Ich habe auch eine neuneinhalbjährige Tochter, wir waren schon öfter da. Wenn man akut Bescheid haben will, ist es hier am besten." Mutter und Tochter wären auch beim Kinderarzt gut aufgehoben - doch: "Der macht erst zu Mittag auf."

Ein Ziel der Gesundheitsreform ist es, mehr Patienten in den niedergelassenen Bereich zu lenken und den Andrang auf die Spitalsambulanzen zu senken. Eine Ambulanz besteht ja nicht nur aus Warteraum und Untersuchungszimmer, die gesamte Spitalsinfrastruktur hängt dran: vom Röntgengerät bis zum OP-Saal. Spitalsärzte klagen über eine Überlastung des ambulanten Bereichs und heute, Dienstag, demonstrieren die AKH-Ärzte (siehe Ärzte protestieren gegen Personalkürzung). Vor wenigen Wochen hat der Vizepräsident der Ärztekammer, Harald Mayer, eine neuerliche Einführung der vor Jahren abgeschafften Ambulanzgebühr vorgeschlagen. Im Donauspital reagieren die Ärzte abwartend. Ohne zu wissen, wie das Modell aussehe, könne man die Wirkung nicht abschätzen, sagt einer von ihnen.

In der Kinderambulanz im Donauspital sehen die Ärzte im Winter geschätzt rund 100 kleine Patienten in 24 Stunden, den Großteil davon bis zum Nachmittag. Zu Spitzenzeiten können es auch doppelt so viele sein. Etwa so groß ist der Andrang laut den jeweiligen Ärzten auch in der Dermatologie oder bei der Notaufnahme. Der Rekord waren laut Primarius Kurz 230 Kinder an einem Tag. An diesem Wochentag ist es eher ruhig - "es gibt auch keine Grippewelle".

"Viele sind überfordert"

Die Warteplätze seien sonst meist theoretisch doppelt belegt, sagt Kunz. "Es kommt schon vor, dass Eltern mit Bagatellen kommen. Viele sind auch einfach überfordert", erklärt ein Kollege. Allerdings gebe es auch Kinderärzte, die Eltern aus Unsicherheit ohne Notwendigkeit ins Spital überweisen.

Die Zahl der Erwachsenen, die die Notfallambulanz unbegründet aufsuchen, schätzt deren Leiter Klaus Herbich auf etwa die Hälfte aller Besucher. Anderswo tätige Ärzte halten die Zahl noch für "optimistisch". Das werde nicht evaluiert, ergänzt Herbich. Jedenfalls nehme man nur rund zehn Prozent der Menschen, die in die Ambulanz kommen - darunter sind auch jene, die mit der Rettung gebracht werden - im Spital auf, alle anderen seien nicht so krank. Am LKH Bregenz zeigte ein Projekt kürzlich, dass rund 40 Prozent der Personen, die sich ohne Überweisung ins LKH begeben, vom Hausarzt behandelt werden könnten.

Auch bei der HNO- und der Augenambulanz oder bei der Ambulanz der Dermatologie sind viele Plätze besetzt. Zahlreiche Patienten kommen zur Nachsorge, etwa eine Frau, deren Stimmbänder nach einer Schilddrüsen-OP in Mitleidenschaft gezogen waren. Jeder muss sich bei der jeweiligen Ambulanz am Anmeldeschalter registrieren lassen. An den Scheiben der Schalter hängt stets ein Zettel mit der Aufschrift: "Das Schalterpersonal kann keine Auskunft über die Wartezeit geben", der Satz endet je nach Abteilung, mit ein bis drei Rufzeichen.

Insgesamt steigt die Zahl der Menschen, die eine Ambulanz aufsuchen, seit Jahren leicht an. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 21.1.2014)