Clemens Nachbaur (r.) stand lang bei Sternköchen im Dienst - jetzt soll er die legendäre Autodidaktin Erna Metzler (l.) ersetzen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Brennsuppe - ein Monument der einfachen Bergbauernküche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es tut sich was im Schiff. Der weithin als exquisite Adresse gerühmte Gasthof im Bregenzer Wald ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Hotel gewachsen, das in seiner Stimmigkeit wie ein kluger Gegenentwurf zu den Protzburgen anmutet, die anderswo in die Alpen geklotzt wurden.

Wie da mit Augenmaß und qualitätvoller Architektur Stück für Stück erweitert wurde, wie sich die Bauteile in die Umgebung einfühlen und mit dem gedrungenen, klassisch mit Schindeln verkleideten Stammhaus (und dem weitläufigen Gemüsegarten vor der Tür!) ein Ensemble bilden, das ist schon für sich sehenswert.

Vom einfachen Gasthof zum Vorzeigebetrieb

In der Küche war die vergangenen 40 Jahre Erna Metzler, die Mutter von Patron Hans-Peter Metzler, zugange. Sie kochte das Haus als Autodidaktin vom einfachen Gasthof zu einem Vorzeigebetrieb hoch, in dem Regionalität schon lange vor ihrer als Marketing-Trend ausgewalzten Pervertierung gelebt wurde - auch wenn sich neben hausgemachtem "Sülzle", Saibling aus dem Nachbardorf und der unvermeidlichen Käserahmsuppe die offenbar ebenso unvermeidlichen Jakobsmuscheln auf der Karte finden.

Sie wirken wie eine Verirrung, werden aber "vor allem von den Einheimischen" eingefordert, wie Metzler erklärt. Soll sein, wenn das der Preis ist, damit die Schiff-Stuben eben nicht bloß originale Kulisse sind, sondern auch vom Dorf für Feierlichkeiten, regelmäßige Jasser-Runden und sonstige Zechereien genutzt werden.

Erna Metzler wird sich nun schrittweise zurückziehen, nachdem mit Clemens Nachbaur ein Nachfolger gefunden wurde, der aus der Gegend kommt, die vergangenen sieben Jahre aber in richtig spannenden Küchen zugange war: Zuerst bei Mario Lohninger, dem Österreicher, der einst das Danube mit luxuriös austrophiler Küche zur Top-Adresse New York Citys hochgekocht hat und dann in Frankfurt gezeigt hat, wie sich Techno und kulinarische Avantgarde vertragen; später im doppelt besternten Facil am Potsdamer Platz, bei Saucen-Magier Dieter Koschina (Villa Joya, Algarve, zwei Sterne) und zuletzt für zwei Jahre im Dreistern-Tempel Aqua von Sven Elverfeld.

Brennsuppe als Spiel der Gegensätze

Es spricht schon sehr für Nachbaur, dass sich so einer auf das Wagnis einlässt, fern der Metropolen-Küchen mit einer leidenschaftlichen Autodidaktin zusammenzuarbeiten, um ihr Werk fortzuführen. Da gehört natürlich das Weiterentwickeln auch dazu - Nachbaur geht es noch bewusst sachte an. So lässt er die Metzler'schen Käseravioli mit ihrer unheimlich kraftvollen, flüssig-cremigen Fülle aus Bergkäs, Topfen und Ziegenfrischkäse unverändert, setzt sie aber auf ein dichtfruchtiges Birnenpüree, das die Wucht der Käse sanft abfedert.

Oder er serviert Rehrücken wie je mit Schupfnudeln und Kohlsprossen, aus dem er dank einer federleichten und dennoch tiefgründigen Sauce ein Muster an Bekömmlichkeit macht. Oder er verwandelt Erna Metzlers Brennsuppe, eigentlich ein Monument einfacher Bergbauernküche, mit einer radikal großzügigen Portion geraspelter schwarzer Trüffel (siehe Bild) in ein monochrom graubraunes, aber umso zärtlicheres Spiel der Gegensätze.

In der Zukunft könnte er die Küche des Schiffs ein wenig weiter aufs Glatteis der Experimente hinausführen - aber nur, wenn es solche sind, die mit dem, was aus der Region kommt, unmittelbar zusammenhängen. Das kann dann richtig super werden. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 24.1.2014)