Das Projekt "Poelstra stolpert, Maurer sägt".

Foto: Bernhard Müller

Wien - Wie kommt der Sinn in die Welt? Eine Frage, aus der so gut wie alle Ideologien ihre Lebenssäfte saugen und an der Politik so oft - und dann im besten Fall komisch - scheitert. Andrea Maurer und Frans Poelstra haben auf diese Frage eine Antwort. In ihrer zurzeit vom Brut Konzerthaus präsentierten Performance Poelstra stolpert, Maurer sägt arbeiten sie sich tief in die Sinnstiftung von scheinbarem Nonsens hinein.

Mit der aus Salzburg stammenden Künstlerin und dem aus den Niederlanden nach Österreich immigrierten Improviser haben sich zwei gefunden, die auf der Bühne ein bestechendes Duo abgeben. Sie ist - gemeinsam mit Thomas Brandstätter - Teil des Labels Studio 5, das sich mit ausgezeichneten Arbeiten, die aus Handwerksphilosophie und Sprachzerlegung gestrickt sind, einen Namen gemacht hat. Und er verkörpert, üblicherweise zusammen mit Robert Steijn, die Formation United Sorry, die zuletzt das Kulturgut Natur künstlerisch neu aufmischte.

Diese Kräfte fließen nun bei Poelstra stolpert, Maurer sägt ineinander. Dabei kommen Momente zustande, die dem Nonsens eine zutiefst berührende Würde verleihen. Und die ist das genaue Gegenteil der Anmaßungen vieler vermeintlich sinnproduzierender Würdenträger, hinter deren Fassaden nichts anderes steht als Opportunismus und Machtmissbrauch. Zu den wichtigsten Werkzeugen für diesen Missbrauch zählen die Sprache und die Arbeit.

Maurer und Poelstra zersägen sein tägliches Phrasendreschen und bringen seinen sich zunehmend entleerenden Mythos von sinnvoller Arbeit zum Stolpern. Mit Leisten und Latten, Hölzchen und Zündern versenken sich die beiden in eine ziellos anmutende Tätigkeit. Dafür wird eine Vinyl-Langspielplatte aufgelegt, und das Stück dauert so lange, bis diese Platte zu Ende ist. Die Sprache wird auf wenige Begriffe und auf dadaistisch wirkende Lautgebilde reduziert.

Manche Passagen lassen an das vor 20 Jahren entstandene, berühmt gewordene Stück Nom donné par l'auteur des Choreografen Jérôme Bel denken. Bel war allerdings von einer zeichentheoretischen Strenge geprägt, die bei Maurer und Poelstra mit Fingerspitzengefühl subvertiert wird. Hier steht die Kunst des Handelns vor der Analyse des Zeichensystems, das uns durch unseren Alltag navigiert. In Poelstra stolpert, Maurer sägt wird die reale Sinnlosigkeit von vielem als wahnsinnig wichtig erklärtem Tun mit Humor vorgeführt.

Das endet allerdings nicht bei einem Sisyphus, den man sich laut Albert Camus "als glücklichen Menschen vorstellen" muss. Sondern bei einer ironischen Desillusionierung mit dem Anspruch, dass die Befreiung von angemaßten Sinnkonstrukten auch etwas bringen kann. Die beiden Figuren in dem Stück machen sich ihren Sinn selbst, indem sie die Lage, in der sie sich befinden, verändern. Ihr Ziel ist das Umformen von aufgezwungenem Unsinn. Und das erweist sich in letzter Konsequenz als eine Anstiftung zum Umsturz. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 8./9.2.2014)