Bild nicht mehr verfügbar.

Frauen kommunizieren intensiver miteinander als Männer.
Foto: APA/dpa/Stephan Jansen
Der Volksmund spricht von Busenfreundinnen. Freundschaften zwischen Frauen haben auch körperliche Aspekte. Sie umarmen sich, lachen zusammen und heulen sich vor einander aus. Vor allem aber: Sie tauschen fast alle ihre Erfahrungen aus. Ein Potenzial, über das die eher wettbewerbsorientierten Männer, die im Geschlechtsgenossen schnell den Rivalen sehen, nicht verfügen.

Frauen erleben den Austausch selbst über intime Dinge als sinnlich. "Trotz dieser intensiven Nähe kann sich jedoch nur ein Viertel der befragten Frauen vorstellen, zusammen unter einem Dach zu leben", weiß Verena Kast, renommierte Psychotherapeutin mit Lehrauftrag in Zürich.

In ihrem neuen Buch Die beste Freundin (dtv) untersucht sie die Vernetzung von Frauen im Freundschaftsstatus und die Folgen im Privaten wie Beruflichen.

Freundinnenverhältnisse beruhen vor allem auf beständiger Kommunikation. Das ist der kleine, aber entscheidende Unterschied zur anderen Hälfte der Welt. "Männer definieren ihre Freundschaft eher über gemeinsame Aktion, etwa Sport", skizziert Kast.

Die Erfahrungen in der Psychotherapie hätten gezeigt, dass sie in schwierigen Situationen oft sehr allein sind. Männer neigen dazu, ihr Selbstvertrauen zu stärken, indem sie eine Situation alleine meistern: Über ein emotionales Problem reden sie in der Regel erst miteinander, wenn sie es bereits bewältigt haben. "Es ist erwiesen, dass die meisten Männer eine Frau aufsuchen, wenn sie ein längeres, persönliches Gespräch führen wollen."

Geteilte Schikane

Beispiel Mobbing, mittlerweile ein Massenphänomen. Schikanierte Männer fressen ihr Leid in sich hinein, Frauen teilen es. Nicht nur ihre Gesprächsdauer ist länger, auch die Bereitschaft, Gefühle zu zeigen, ist ungleich höher als unter Männern. Das entlastet. Männer ertragen es schlecht, lange zuhören zu sollen, suchen schnell Lösungen, selbst dann, wenn das Problem noch gar nicht richtig formuliert ist.

Frauen dagegen, meint die Psychologin, "waren schon immer aufeinander angewiesen, haben eine ähnliche Sozialisation, vergleichbare Erfahrungen mit ihrem Körper und ähnliche Schwierigkeiten im Alltag."

Selbstvertrauen spenden sie einander durch wechselseitige Hilfe, die geistige und emotionale Nähe einschließt. Frauen, denen es nicht gelingt, eine gute oder beste Freundin zu haben, "definieren sich über Männer und sehen in jeder anderen Frau eine Konkurrentin."

Die weibliche Beziehungskultur beruht auf Werten wie Aufmerksamkeit und Verlässlichkeit, die gerade im Beruf angenehm auffallen.

Frauenauftritte im Betriebsumfeld haben oft etwas Freudvolles, Verbindliches, zumindest Zugeneigtes, während Männer es bei der Vitalität belassen. Verena Kast tritt allerdings der Ansicht entgegen, dass das eine Naturbegabung sei. "Frauen verstehen zwar mehr von Beziehungen, tun aber auch mehr dafür", stellt sie klar. Sie plaudern mehr, sind Vieltelefoniererinnen, stellen bei Meetings mehr Fragen, als dass sie Antworten präsentieren. Das ist Teil von weiblicher Lebenskunst und Instinkt.

Drei Freundinnen

Jede Frau, die eine beste Freundin hat, ist nicht einsam. Das bezieht auch die instrumentelle und wirtschaftliche Unterstützung ein. Verena Kast hat mit 100 Frauen von 17 bis 73 Jahren Interviews geführt.

Fazit: Jede Frau hat im Schnitt drei beste Freundinnen, mit denen sie verschiedene Lebensbereiche teilt. Intensiv halten diese Freundschaften rund acht Jahre, die Beziehung zur besten Freundin als "Berufsberaterin" oder Mentorin hält oft Jahrzehnte. "Weil die Bezogenheit zueinander an die Stelle von Konkurrenz tritt und in dieser Beziehung eigene, noch zu ergründende Wesenszüge entdeckt und anstehende Entwicklungsschritte stimuliert werden", sagt Kast abschließend. (DER STANDARD, Printausgabe 16./17.08.2003)