Wien - Über der Zukunft der Kinder hängt ein Damoklesschwert. Wer etwa heute vor 100 Jahren geboren wurde, hatte immerhin zwei Weltkriege vor sich. Für das Choreografie-Duo Joke Laureyns und Kwint Manshoven ist das kein Grund zur Beruhigung. Mit dem Stück Rauw versuchen die Belgier dennoch, der Dystopie Hoffnung abzutrotzen.

Sieben Kinder leben auf einem postapokalyptischen Mistplatz. Die Welt der Erwachsenen wird nur durch einen verloren wirkenden jungen Mann und eine traumatisierte alte Frau repräsentiert. Die Kids bringen sich - und die beiden Großen - durch einen Tag voll bescheidener Abenteuer und unterdrücktem Irrsinn. Das Spiel der etwa Acht- bis Elfjährigen ist in einen Tanz übersetzt, der sehr an den actionreichen Stil von Wim Vandekeybus erinnert.

Die außergewöhnliche Arbeit war ein Glanzlicht des spannend programmierten Wiener Youngsters-Tanzfestivals Szene Bunte Wähne, erstmals unter neuer Leitung von Yvonne Birghan-van Kruyssen. Und genau richtig für deren Absicht, dem jungen Publikum unter dem Motto "Das Mee(h)r in mir!" einen künstlerischen Blick hinter die Kulissen der Realität zu ermöglichen.

Auch das tänzerische Popkultur-Drama Love Songs von Ives Thuwis lässt keinen Zweifel hinsichtlich der Härten des Lebens aufkommen. Hier sind es die ambivalenten bis tragischen Momente des Sicheinübens in die Liebe. Vier junge Frauen und drei Burschen tauchen tief in die Allzeit-Dystopie des Erwachsenwerdens. Unübersehbar dabei ist die alternativlos scheinende Enge im Dasein einer durch ein Dauerpartyleben geschleiften Jugend.

Wer diese einigermaßen überstanden hat, dem kann das Erwachsensein nicht mehr viel anhaben. Davor haben die ganz Kleinen noch ein bisserl Zeit. Ihnen schenkte die Wiener Regisseurin Paola Aguilera ein getanztes Spiel, in dem drei Figuren durch eine Wasserwelt plätschern: Mein kleines Meer ist halb für die begleitenden Eltern und halb für die behüteten Kinder gemacht. Ein Drahtseilakt mit viel Musik, Pantomime, Bewegung und gut gesetzten Videoprojektionen. Den Kindern hat's gefallen. Und die Erwachsenen waren glücklich. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 4.3.2014)