Screenshot der neuen Alpen-Donau-Seite. Themen sind die FPÖ, Küssel und das Verbotsgesetz. Für den Inhalt zeichnet nun der erstinstanzlich wegen Wiederbetätigung verurteilte Richard P. verantwortlich.

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Wien/Graz - Die seit 2009 jahrelang über einen US-amerikanischen Server anonym als Neonazi-Site betriebene Homepage Alpen-Donau.info, die Inhalte gegen das NS-Verbotsgesetz verbreitete und Menschen mit Foto und Adresse an den virtuellen Pranger stellte, ist wieder online.

Erst im Vorjahr fasste Gottfried Küssel im Zusammenhang mit der Seite sieben Jahre und neun Monate Haft (das ursprüngliche Urteil von neun Jahren wurde mittlerweile gemindert) aus; seine Mitangeklagten fünf Jahre und neun Monate beziehungsweise vier Jahre und drei Monate. Das Bemerkenswerte an der Reaktivierung der Seite: Sie wird nun nicht mehr anonym betrieben.

Zumindest einer bekennt sich mit seinem Namen und seiner Anschrift dazu: der einschlägig bekannte Grazer Richard P. (25), einer der Männer, die in Graz monatelang wegen zweier Übergriffe - im Café Zeppelin und bei einer Public-Viewing-Veranstaltung im Jahr 2010 - wegen schwerer Körperverletzung und NS-Wiederbetätigung vor Gericht standen; der Standard berichtete. P. wurde Ende 2012 wegen Wiederbetätigung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Bei dem äußerst brutalen Übergriff auf Gäste eines Studentenlokals bezeichnete die Staatsanwaltschaft P. als "Leitwolf" der Gruppe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig ist, er ist auf freiem Fuß.

Seit einigen Wochen verbreitet er nun Texte, die vorsichtiger formuliert sind als die früher von anonymer Hand geschriebenen. Sie machen etwa Stimmung gegen das "Schandurteil" gegen den inhaftierten Gottfried Küssel und gegen das NS-Verbotsgesetz im Allgemeinen. Die Beiträge auf der Seite schrammen zum Teil an Gesetzesverletzungen vorbei - nicht nur das Verbotsgesetz betreffend. Im Innenministerium hieß es am Montag auf Standard-Nachfrage, man habe die Seite und P. unter Beobachtung.

Dem Vernehmen nach wird nicht nur gegen P. weiterhin in der Causa Alpen-Donau.info ermittelt, sondern gegen einen größeren Personenkreis. Die drei Urteile rund um Küssel stellen also keinesfalls den Abschluss des Falls dar. Wann es jedoch zu einer oder mehreren neuen Anklagen kommt, ist offen. Auch auf Facebook gibt es seit Jänner eine gleichnamige Seite, auf der Küssels Enthaftung gefordert wird.

Dass in Sachen Neonazi-Homepage erst seit Sommer 2012 gegen P. ermittelt wird, ist bemerkenswert. Eine erste Hausdurchsuchung fand etwa erst dann statt, als P. bereits monatelang wegen der Übergriffe in Graz vor Gericht stand. Der Datenforensiker Uwe Sailer, im Brotberuf Polizist in Linz, will unter dem Nickname Askirgoda schon im April 2009 im damals zur Alpen-Donau.info gehörigen Forum Alinfodo Kontakt zu P. gehabt haben. Nachdem ein anderer User im Forum mit "Heil Hitler!" gegrüßt hatte, beschloss Sailer, seine Kollegen beim oberösterreichischen Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) auf das Forum aufmerksam zu machen. P. habe Sailer, der sich im Forum als 27-jähriger Steirer ausgab, damals auch zu einem Treffen im Mai 2009 nach Graz eingeladen.

"Es war nicht meine Aufgabe, dorthin zu fahren, aber den Kontakt und den Termin habe ich an das LVT weitergegeben. Doch die haben das in keinster Weise wahrgenommen", ärgert sich der Polizist, der dem Verfassungsschutz im Zusammenhang mit Alpen-Donau.Info immer wieder Untätigkeit vorwarf.

Anzeigen 2013 gestiegen

Vom STANDARD auf die Seite, die nun nicht mehr auf einem amerikanischen Server liegt, aufmerksam gemacht, heißt es bei der Staatsanwaltschaft: "Solange die neuen Texte nicht strafbar sind, ist sein Verhalten zwar zu hinterfragen, aber nicht weiter zu verfolgen." Man werde sich die Seite aber in Ruhe ansehen.

Die Anzahl rechtsextremer Straftaten in Österreich steigt: 2013 wurden im Zusammenhang mit 574 Tathandlungen mit rechtsextremen Motiven 1027 Anzeigen erstattet. Das geht aus der aktuellen Beantwortung einer Anfrage des Grünen-Justizsprechers Albert Steinhauser durch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hervor. 2012 waren es 920 Anzeigen bei 519 Tathandlungen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 11.3.2014)