Ein "Zerbrochner Krug" – und keiner will es gewesen sein: Heinrich von Kleists Lustspiel am Landestheater Vorarlberg. 

Foto: anja koehler

Bregenz - Regisseur Steffen Jäger lässt das Stück vor der idyllischen Kulisse einer weißen Winterlandschaft spielen. (Bühne: Sabine Freude). Im Kontrast dazu das im Vordergrund auf Holzbänken stattfindende Geschehen. Ein Krug wurde zerbrochen. Dorfrichter Adam (Sébastien Jacobi) soll in einem Gerichtsprozess den Verantwortlichen finden und sieht sich somit genötigt, über seine eigene Verfehlung Gericht zu halten. Denn er war es, der den Krug zerbrach, als er nächtens illegitimerweise aus dem Zimmer von Eve (Laura Mitzkus) geflüchtet ist, in dem er sie zu sexuellen Handlungen genötigt hatte.

Bei aller Tragik herrscht am Landestheater Vorarlberg Komik: Sie ist vor allem dem Spiel Sébastien Jacobis zu verdanken. Hervorragend mimt er den Dorfrichter, der, immer mehr in Panik geratend, alles daransetzt, die Wahrheit zu verbergen. Im Kontrast zu seinem verräterischen Verhalten stehen die Dorfbewohner, für die Adam aufgrund seiner Position auch trotz der unübersehbaren Blutflecken auf seinem Hemd und des zerrissenen Anzugs über jeglichen Verdacht erhaben zu sein scheint.

Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung verbildlicht Regisseur Jäger auch mit einem in Anzug gekleideten und einen Aktenkoffer tragenden Mann, der auf seinem Kopf eine Wolfsmaske trägt. Niemand scheint sich daran zu stoßen. Alles, was das Bild der gewünschten Idylle zerstören könnte, wird von den Dorfbewohnern gekonnt ausgeblendet. Bezüge zur Gegenwart lassen sich da genügend finden.

Die Tragik veranschaulichen vor allem die letzten beiden Szenen. Ein eindrucksvolles Bild entsteht, als Adam Eve das blutverschmierte Hemd überzieht und sich selbst daraus befreit. Eve bleibt, in das schmutzige Gewand gekleidet, allein auf der Bühne zurück.

Zwischendurch verliert der Abend aber auch immer wieder an Tempo. Deshalb nur verhaltener Applaus. (Nicole Wehinger, DER STANDARD, 19.3.2014)