An Applaus mangelte es nicht. Karin Bergmanns erster Auftritt als Burgtheaterdirektorin riss das versammelte Ensemble zu erleichtertem Beifall hin. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) hat das Loch in der Burg-Führung mit atemberaubender Hast geschlossen. Das Tempo ist Bestandteil der Therapie. Mit aller Macht soll das wichtigste Theater des deutschen Sprachraums von den Spuren des Finanzdebakels gereinigt werden. Die Aufgabe, vor die sich Ostermayer gestellt sah, gleicht der, mit der Wurst nach der Speckseite zu werfen.

Mit Bergmanns Bestellung sendet Ostermayer zwei höchst unterschiedliche Signale aus. Seine Rolle ähnelt am ehesten derjenigen König Salomos.

Nach innen soll Bergmanns untadelige Person beruhigend wirken. Das Ensemble, uneins, weil von Sorgen heimgesucht, darf sich an Bergmann wie an einem Wahrzeichen aufrichten. Nach außen, so hofft man, werde die Person Wunder wirken. Ihre Wahl gleicht einem Abstecher in die gute alte Zeit. Mit ihr als Exponentin der Direktionsära Klaus Bachlers lässt sich die jüngste, schmähliche Vergangenheit vortrefflich ausblenden.

Es scheint, als würde die kurze Regentschaft Matthias Hartmanns schon jetzt mit aller Macht aus den Geschichtsbüchern getilgt. Was man dabei übersieht: In Fragen der Buch- wie der Geschäftsführung war die Ägide des Osnabrückers Kaufmannssohnes eine, wenngleich schlimm verhaltensauffällige, Fortschreibung des Elends davor.

Für Bergmann gilt die Tüchtigkeitsvermutung. Trügerische Handlungen haben weder sie noch Bachler gesetzt. Schließlich sind Dinge vorgefallen, die sich kein leitender Burg-Mitarbeiter vor ein paar Jahren hätte träumen lassen. Dennoch wurde bereits in den Nullerjahren begonnen, das Haus am Ring kaputtzusparen. Bergmann gehörte zu den Zuständigen. Und es ist regelmäßig die Politik, die auf Budgetnot als allgemeines Übel hinweist, um im selben Atemzug die Sonderstellung der Burg herauszustreichen.

Die Ära der neuen Interimsdirektorin wird bis August 2016 währen. Künstlerische Zeichensetzungen sind ausdrücklich erwünscht. In Vorfreude auf das, was Bergmann alles bewerkstelligen wird, fällt wiederum die Zurückstellung der künstlerischen Aussage ins Auge. Hermann Beil, der schlohfarbene Paladin an Claus Peymanns Seite, soll der Neo-Intendantin vom fernen Berlin aus mit Rat und Tat zur Seite stehen. Beil versieht sein diskretes Amt unentgeltlich. Natürlich wird er die wunderbarsten Grillen beisteuern. Vielleicht hätte man nachhaltiger um ihn als Direktor werben müssen. Doch dem stand ja die Hast im Weg. Ist die Politik von der veröffentlichten Meinung erst auf den Geschmack gebracht, lässt sie sich ihr Macher-Image von nachdenklichen Anwandlungen ungern ruinieren.

In der Zeit der Übergänge wird mit Pfunden der Vergangenheit gewuchert. Schon streut Karin Bergmann die Namen der Regisseure Andreas Kriegenburg, Leander Haußmann oder Thomas Ostermeier aus. Man fragt sich, was die amtierende Chefdramaturgie in Person Klaus Missbachs zur Entwicklung zu sagen hat. Immerhin muss Bergmann die Hartmann-Pläne für die kommende Spielzeit absegnen.

Die Burgdirektoren-Suche ist zu Ende. Zeit also, nach einem neuen Burg-Direktor zu suchen. Nun muss Karin Bergmann alle Schauspieler an sich drücken - auch solche, die erst durch Matthias Hartmann wurden, was sie heute sind: Burg-Schauspieler. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 19.3.2014)