Der älteste Außenminister und der jüngste Außenminister in Europa beschworen am Donnerstag in Sarajevo gemeinsam den Reformgeist der Bosnier. Als der Ungar János Martonyi zuerst über Wahrscheinlichkeit von Wundern philosophierte und Sebastian Kurz dann eine Verfassungsreform für den Balkanstaat forderte, waren einige Vertreter der Zivilgesellschaft, die in die österreichische Botschaft geladen waren, ziemlich überrascht. Nicht weil man eine solche nicht braucht (da sind sich fast alle einig), sondern weil die Verfassungsreform überhaupt das heikelste Thema in Bosnien-Herzegowina ist, das in der Nachkriegsordnung von Dayton dahindümpelt. An ihr sind bisher alle internationalen Akteure gescheitert.

Kurz will mit dem Anlauf offenbar zeigen, dass er es mit dem Balkan-Schwerpunkt ernst meint. Sein Engagement könnte tatsächlich Hoffnungen wecken. Allerdings sind die Stolpersteine auf dem Weg zu einer möglichen Verfassungsreform groß. Kurz setzt auf die Zivilgesellschaft. Innerhalb der neu entstandenen Demokratiebewegung, also in den Plenen, fordert aber niemand eine Verfassungsreform, weil man aus Erfahrung weiß, dass bereits eine solche Forderung Widerstand dagegen weckt. Zudem beginnt der bosnische Wahlkampf, und nationalistische Kräfte könnten das Thema gerade jetzt nutzen, um Maximalforderungen zu erheben und damit die Initiative gleich verpuffen zu lassen. Und: Ohne Deutschland geht gar nichts. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 29.3.2014)