Grischka Voss, Michael Welz, Kajetan Dick (von li.).

Foto: Barbara Palffy

Wien - Nur selten, eigentlich nie, beginnt das Bernhard Ensemble mit seiner Performance erst auf der Bühne. Die vierte Wand gibt es bei ihnen nicht. Hergekommen. Mitgefangen. Da wurde schon das Publikum gecastet, befragt, befummelt. Mittlere Angst- und Peinsamkeitsschweißausbrüche als Einstimmung auf den besonderen Theaterton, der hier herrscht. Auf diese Mischung aus Tiefsinn und Heiterkeit, aus Trash und Tristesse, aus Spaß und tödlichem Ernst, aus Burleske und Horror.

Diesmal Gruselpartystimmung: Nur flackerndes Kerzenlicht im Stiegenaufgang, Halloween-Deko, seltsame Geräusche. Ein Schrei. Wie Nichte und Neffen von Gevatter Tod weisen schwarzgekleidete Schauspieler mit starrem Blick den Besucherinnen und Besuchern den Weg. Führen sie zu langsamen Begräbnisklängen einzeln in den, natürlich, finsteren Saal. Das Bühnenbild hat Schauspiel-Regisseurin Grischka Voss einer Kasperltheater-Guckkastenbühne nachempfunden.

Rote Vorhänge werden mit ein paar Handgriffen hinaufgezogen, heruntergelassen, zur Seite geschoben für Skinned, eine mehr als zweistündige, pausenlose Radikalrhapsodie über alle Ausformungen von Auftritts-, Lebens-, Todes-, Verlassenwerdensängsten. Von Alltagsbestialitäten, Mordgelüsten, Horrorvisionen und, ja, Galgenhumor. Es wird - gnadenlos-grotesk - gespielt und gesungen (Voss, Kajetan Dick, Michael Welz), getanzt (Peter Beil), es gibt - großartiges - Figurentheater (Stéphanie Troehler) und groovige Livemusik (B. Fleischmann).

Voss hat dutzende Gespräche mit Freundinnen und Freunden geführt, ihre eigenen Abgründe zutage gefördert, Fritz Riemanns Grundformen der Angst studiert und daraus ein Stück im Stück im Stück geschrieben. Als Spiel-Rahmen-Handlung für die Nummernrevue dient ihr das Théâtre du Grand-Guignol in Paris, das seine große Blüte in den 1920er-Jahren erlebte und als Inbegriff des Theaters des Grauens galt.

Keine Angst vor Peinlichkeit

Paula Maxa (Voss), die meistgetötete Theaterfrau, George (Michael Welz) und Max (Kajetan Dick) zanken vor dem Vorhang schmachtfetzig-manieriert über Szenen, ihre Horrorplots hingegen spielen sie - wunderbar verkehrte Theaterwelt - alltagsnebensächlich. Im Wiener Off-Theater du Grand-Guignol verschlingt in grotesker Übertreibung eine Riesenvagina Männerköpfe; da gibt es Socken, aber keine Leichen, da wird ein dringendes menschliches Bedürfnis in den Staubsauger entsorgt. Angst vor Peinlichkeit? Nicht hier. Hoffnungsfröhlich singen Schauspieler, Tänzer, Puppenspielerin und Musiker am Ende vom Ende: "Keine Angst, du stirbst sowieso." (Andrea Schurian, DER STANDARD, 31.3.2014)