Ganz Österreich ist von Justizreformern besetzt. Ganz Österreich? Nein, im Land ob der Enns leistet eine Handvoll Richter Widerstand gegen die Zusammenlegung von Bezirksgerichten. Ihr Zaubertrank heißt "Schneideverbot", eine fast 100 Jahre alte Regelung zur Absicherung von politischen Bezirken und Gerichtsbezirken, von der zwar selbst Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger nicht weiß, was sie im 21. Jahrhundert noch soll. Aber weil der Passus aus dem Übergangsgesetz von der Monarchie zur Republik eben noch Geltung hat, ist die Auflösung der drei Bezirksgerichte in Enns, Leonfelden und Pregarten verfassungswidrig.

Mit dem "Schneideverbot" ließen sich auch andere, bereits vollzogene Zusammenlegungen von Bezirksgerichten in anderen Bundesländern aushebeln. Wozu es aber nicht kommen wird, weil es - eine Zweidrittelmehrheit im Parlament vorausgesetzt - einfacher ist, das alte Gesetz endgültig einzumotten.

Dennoch wird der Sieg der rebellischen Richter aus Oberösterreich mehr als eine Fußnote in der heimischen Rechtsgeschichte bleiben. Denn sie haben den Reformverantwortlichen im Wiener Palais Trautson eine peinliche Lektion erteilt. Es reicht eben nicht aus, sich bei Strukturreformen auf das Verschieben von Köpfen zu konzentrieren. Es kommt auch immer darauf an, was in diesen Köpfen drinnen ist. (Michael Simoner, DER STANDARD, 3.4.2014)