Bildung für alle, oder wer darf studieren? Von links: Julian Nida-Rümelin (LMU München), Selma Prodanovic (Brainswork), Georg Kapsch (IV), Pascale Ehrenfreund (FWF), Andreas Altmann (MCI).

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Wien - Fachhochschulen haben die Bildungslandschaft nachhaltig verändert. "Ihre Gründung hätte aber schon viel früher erfolgen können", sagt Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens der Fachhochschulen wurde am Donnerstag zur Diskussion ins Haus der Industrie geladen. "Wer soll studieren, wer darf studieren?" lautete die provokante Frage.

Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie und Politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, warnt in seinem Eingangsstatement vor einem "Akademisierungswahn", bei dem alles der Steigerung der Akademikerquote unterworfen werde.

Viele Bildungsreformen mit dürftigem Fundament

So habe es zwar in den letzten Jahrzehnten eine Menge an Bildungsreformen gegeben - "manchen waren in den Ansätzen gut, manche weniger", so Nida-Rümelin -, das konzeptionelle Fundament sei jedoch dürftig, "Dinge wurden nicht zu Ende gedacht". Die Bologna-Reform nannte er dafür als Beispiel, denn die erhoffte Verkürzung der Studiendauer und ein Berufseinstieg gleich nach einem Bachelor-Abschluss, seien nicht eingetreten.

Außerdem sei es ein Trugschluss, zu meinen, dass, wenn die Akademikerquote hoch sei, auch die Leistung im Land stiege. Als Beispiel dafür nannte er die Schweiz. Im europäischen Vergleich hat die Schweiz die niedrigste Akademikerquote, aber das höchste Bruttoinlandsprodukt.

Die Hochschulen, erläutert Nida-Rümelin, sollten sich von dem global gleichgestuften System wieder trennen, vielmehr auf ihre Stärken schauen und an den Schwächen arbeiten. "Im deutschsprachigen Raum ist das die duale praxisnahe Ausbildung unter der akademischen Bildung", sagt er.

FHs: Privileg sich studierende aussuchen zu können

Für Pascale Ehrenfreund, die Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF und Professorin an der George Washington University (USA), ist die Frage, wer studieren dürfe, ein zweischneidiges Schwert. Sie selbst habe vom freien Hochschulzugang in Österreich profitiert. Jetzt kenne sie aber auch das amerikanische System, bei dem sich gute Universitäten ihre Studierenden aussuchen können. "Das System muss sich aber weiterentwickeln", sagt Ehrenfreund. Und wenn Österreich, so das politische Ziel, zu den innovativsten Ländern Europas zählen solle, dann könne das nur über die Förderung von Topwissenschaftstalenten funktionieren, so Ehrenfreund. "Österreich hat sich zwar in den letzten Jahren gemausert, aber es gibt noch viele Probleme, die gelöst werden müssen", sagt sie.

An Fachhochschulen habe man bereits das Privileg, sich die Studierenden aussuchen zu können, sagt Andreas Altmann, Rektor des Management Center Innsbruck (MCI). Er wünscht sich eine bessere Verknüpfung im gesamten Hochschulbereich. "Denn um an die Spitze zu kommen, braucht es eine Breitenförderung", so Altmann.

Kapsch: Volkswirtschaft braucht nicht Eliten, sondern Breitband der Gesellschaft

Das Kernproblem liegt für Kapsch aber bereits in der Elementarpädagogik. "Denn was wir dort nicht schaffen, kommt gar nicht in die Nähe tertiärer Bildung", sagt er und fordert einmal mehr zusätzliche Investitionen in die Bildung. "Was wir nicht in Bildung investieren, zahlen wir dreifach über das AMS wieder aus." Denn die Volkswirtschaft lebe nicht von Eliten, sondern vom Breitband der Gesellschaft, so Kapsch.

Für Selma Prodanovic, die Geschäftsführerin von Brainswork Consulting, gehört hier auch die Zusammenarbeit mit privaten Initiativen verbessert, und man solle nicht nur in den Kategorien Fachhochschulen/Universitäten denken. Die Frage sei nicht "Akademische Bildung oder Berufsausbildung?" "Bildung findet woanders statt", sagt sie. Denn auf die Frage, welcher Ort jemanden am meisten gebildet habe, gab es bei einer Umfrage nie die Antwort "Schule" oder "Hochschule", ergänzt Prodanovic. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, 12.4.2014)