Will man in Österreich als klinischer Psychologe arbeiten, braucht man ein abgeschlossenes Psychologiestudium, Master oder Magister, und eine postgraduale Ausbildung. Am 1. Juli tritt das neue Psychologengesetz in Kraft. Eigentlich gilt das neue Gesetz als Aufwertung für die Tätigkeit der Psychologen, was bei Psychotherapeuten und Psychiatern schon im Vorfeld für massive Kritik gesorgt hatte. Streitpunkt war etwa der Tätigkeitsvorbehalt, also wer klinische Diagnosen stellen dürfe. Neben strukturellen Änderungen bei Psychologen wurde auch die Ausbildung reformiert, und hier scheiden sich die Geister, ob diese Reform gut ist.

Aus Sicht einer Studentin verschlechtert sich die Situation: Alexandra G. steht kurz vor Studienabschluss, trotzdem wird für sie die neue Regelung gelten. Konkret erhöhen sich die Stunden, die sie an Praxis nachweisen muss. Aus einem Pflichtpraxisjahr werden fast zwei, musste sie bisher 1.400 Stunden nachweisen, sind es jetzt etwa 2.000 Stunden.

Längere Ausbildung, längere Durststrecke

Laut Veronika Holzgruber, Vizepräsidentin des Berufsverbands für Psychologen (BÖP), ist die Anzahl der Praxisstunden durchaus in einem Jahr schaffbar, das hänge vom Dienstverhältnis ab. Dem widerspricht aber Martin Nechtelberger, Geschäftsführer der österreichischen Akademie für Psychologie (AAP), die auch die Ausbildung zum klinischen Psychologen anbietet. Er rechnet mit mindestens eineinhalb Jahren Ausbildung. Neben den Praxisstunden müssten auch Theorieblöcke absolviert und Fallstudien und Projektarbeiten erstellt werden, die das Ausmaß von Masterarbeiten haben. Nechtelberger sieht zwar eine fachlich bessere Ausbildung, die "Durststrecke" verlängere sich aber dadurch.

Für Holzgruber stellt das Gesetz eine Verbesserung und Qualitätssicherung der Ausbildung dar, war doch auch der BÖP von Anfang an in die Neugestaltung des Psychologengesetzes miteingebunden. Als Vorteil sieht sie vor allem, dass die angehenden klinischen Psychologen nicht mehr nur mit einem "Taschengeld" entlohnt werden, sondern dass gesetzlich ein Anstellungsverhältnis festgelegt sei. Damit sei die Beschäftigung mit der eines Turnusarztes vergleichbar. Die AAP hat aber andere Berechnungen, sie geht von einer Bezahlung in der Höhe von 800 Euro brutto aus. Das sei zumindest das, was der Bund angehenden klinischen Psychologen zahle.

Weniger Psychologen als Ziel?

Alexandra G. befürchtet allerdings, dass die eigentliche Ausbildung während der Praxis zu kurz komme und die Studenten als vollwertige Teammitglieder eingesetzt werden, aber eben bei geringer Bezahlung - als "billige Arbeitskräfte".

Nechtelberger sieht zwar durch die neuen Richtlinien auch Verbesserungen in der Ausbildung, doch für ihn ist es auch "überreguliert". Er vermutet andere Beweggründe im Gesundheitsministerium: Die Zahl der klinischen Psychologen soll reduziert werden. Haben sich bisher etwa 600 bis 700 klinische Psychologen jährlich neu eintragen lassen, sollen es in Zukunft weniger als 200 sein. Die Ausbildung sei aufwändiger und teurer geworden, außerdem gebe es weniger Möglichkeiten, die Praxisstunden zu absolvieren. Jeder angehende klinische Psychologe muss eine gewisse Anzahl an Supervisions- und Selbsterfahrungseinheiten nachweisen. Supervision war bisher auch schon Teil der Ausbildung, mit dem Unterschied, dass der Betreuer in der Praxisstelle Supervisor sein durfte - das gilt jetzt nicht mehr. Nach Nechtelbergers Berechnungen müssten die Studenten zusätzlich zwischen 4.000 und 6.000 Euro dafür aufbringen, die Gesamtkosten schätzt er auf zehn- bis zwölftausend Euro.

Wo Alexandra G. ihre Praxisausbildung absolvieren wird, ist noch nicht klar. Sie überlegt auch, ins Ausland zu gehen, beispielsweise nach Deutschland, wo das Psychologiestudium ausreichen würde, um als klinische Psychologin zu praktizieren. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 14.5.2014)