Wien - Er muss für Bürger, Pardon: für Untertanen von Monarchen eine Art Sehnsuchtsfigur dargestellt haben: der römische Kaiser Titus. Ein (zumindest im Libretto von Metastasio und Mazzolà) bedingungslos barmherziger, ein manisch milder Herrscher, der alles um ihn herum begnadigte, was nicht bei "drei" auf den Bäumen war - sogar Intriganten, Umstürzler und versuchte Mörder.

Sesto etwa. Von der übergroßen, frühen Liebe des Kaisers etwas in Mitleidenschaft gezogen, kommt ihm der Unmut seiner hochwohlgeborenen Freundin Vitellia gelegen. Hassend gern macht er sich zum mordenden Arm ihrer Rachegelüste und kann so die seinigen gleich mit einem Aufwaschen abarbeiten.

Passend zu dieser emotionalen Belastetheit ist Sesto an der Kammeroper eine Lisbeth Salander der Opernbühne, in schwarzer Street-Style-Kluft und mit Irokesenfrisur ganz auf kämpferisch gebürstet (Kostüme: Nina Hörner). Gaia Petrone transportiert die Glut dieser Person mit ihrem weichen Mezzo berührend. Und Cigdem Soyarslan verleiht der Strenge der Vitellia, dieser Domina der Rache, dringlich stimmlichen Ausdruck.

Die Geschmeidigkeit der Jugend findet sich im Sopran von Natalia Kawalek-Plewniak; als Annio, Sestos junger Freund, wächst sie auch mehr und mehr in dessen kämpferischer Attitüde hinein. Leichtgewichtig, luftig die Servilia von Gan-ya Ben-gur Akselrod. Andrew Owens ist ein smarter, berührender Tito, sein Tenor konveniert mit den Dimensionen des Hauses. Mit dem Bach Consort Wien im Orchestergräbchen präsentiert Rubén Dubrovsky einen Titus mit Wärme, Lebendigkeit und leichten orchestersolistischen Schwächen.

Regisseur Alberto Triola, sonst als Musikmanager, Universitätslektor und Schriftsteller tätig, will das Schablonenhafte menschlichen Verhaltens verdeutlichen, und so gibt es auf der schön kargen Bühne (Tiziano Santi) Masken diversester Größen zu sehen. Sie dienen dem Schutz und der Verstellung, der direkte Blick in die Seele wird kaum zugelassen. Fast wie im richtigen Leben. (Stefan Ender, DER STANDARD, 15.4.2014)