Von Horden luftbereifter Radfahrer umzingelt zu sein, während man selbst an jedem kleinen Hügel nach Atem ringt, ist nicht nach dem Geschmack der Luftlos-Community, die sich den vollgummibereiften Hochrädern, Niederrädern und Dreirädern bis 1893 verschrieben hat.

"In der Langsamkeit liegt die Stärke", dachte sich das aus acht Akteuren bestehende Luftlos-Kernteam im August 2013 während der Velocipediade in Tübingen – einem jährlichen Treffen von Sammlern und Fahrern historischer Fahrräder. Spontan beschlossen sie, auf "Vollgummis Sohlen" knapp eine Woche lang die Welt zu erkunden. Ein erbauliches Erlebnis, das heuer seine Fortsetzung findet.

Blickfang in der Landschaft: Helges Rotary Tricycle von D. Rudge & Co, England 1885. Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

Im Stil der Radfahrpioniere der 1880er-Jahre sollen vom 27. Mai bis 1. Juni 200 Kilometer auf dem Main-Radweg zwischen Würzburg und Miltenberg bewältigt werden. Langsam, genussvoll und stilgerecht, versteht sich.

Zu den Teilnehmern zählen laut Eigendefinition "geübte Sammler" wie "ungeübte Fahrer" – vom Geologen über den Schüler bis zum Pensionisten. Was sie verbindet, ist die Leidenschaft für ihre historischen Fahrräder.

Gerald besitzt ein Morris Cambrian No.3, Kyra ein unbekanntes Dreirad, Max das US-Sicherheits-Hochrad "Special Star" (Bild unten), Baujahr 1886, das durch seine damals neuartige Konstruktion die gefährlichen Kopfstürze vermeiden helfen sollte.

Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

Domis fährt ein Rudge Light Roadster, Frank ein Hintersteurer Dreirad (Bild unten), Frank W. ein CMC Royal Salvo und Helge ein Rudge Rotary. Sämtliche Fahrzeuge wurden vor dem Siegeszug der Pneumatik-Bereifung gebaut – etwa zwischen 1878 und 1893.

Frank auf seinem Hintersteurer-Dreirad. Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

Die mehr als 120 Jahre alten Vehikel sind nicht einfach zu bewegen. "Hochräder und Dreiräder – oder zumindest deren Fahrer – lieben keine Berge", berichten die Veranstalter. "Bergauf kommt man irgendwie, aber runter wird’s meist gefährlich." Denn die Vorderradbremse eines Hochrads ist nicht viel mehr als ein hübscher Deko-Artikel.

Wer sie zu heftig bedient und den hohen Schwerpunkt nicht berücksichtigt, segelt in hohem Bogen über den Lenker. "Gegentreten" ist bei den freilauflosen Rädern die einzig sinnvolle, zugleich aber auch anstrengende Methode um zu bremsen.

Bleibt Kyra mit ihrem Dreirad um 1885 die einzige Frau auf der Tour? Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

Auch Schotterstrecken sind eine Herausforderung, vor allem für die bis 35 Kilogramm schweren Dreiräder. "Und fährt man eine unübersichtliche Kurve zu schnell an und verliert dabei den Kontakt zu den Pedalen, hilft nur noch Beten oder Abspringen. Für Letzteres ist es dann aber oft zu spät", berichten die Luftlos-Akteure aus eigener Erfahrung.

Diese Hürden und die Suche nach zirka 200 Kilometern vernünftigem Straßenbelag, möglichst ohne Steigungen, waren mit ein Grund für die Wahl des Main-Radwegs. Dazu der Umstand, dass Übernachtungsmöglichkeiten für etwa zehn Personen samt Unterstellmöglichkeiten für die originalen Fahrräder gegeben sind.

56-Zoll Hochrad von D. Rudge aus dem Jahr 1889. Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

Die Route führt von Grafenrheinfeld über Würzburg bis Miltenberg. Jeden Tag sollen etwa 30 Kilometer bewältigt werden. "Das klingt nicht viel für Radfahrer, mit einem großen und schweren Dreirad ist das allerdings schon eine Herausforderung für Fahrer und Fahrzeug", sagen die Luftlos-Akteure, die sich über Freunde, Sympathisanten und nette Mitradler freuen.

Gerald, Hochradmeister und Sieger des Georg Rothgießer Hochradrennens, mit seinem Morris Brothers Hochrad. Quelle: www.luftlos.com
Foto: www.luftlos.com

"Pumpen-schwingende Luftreifler" müssen allerdings draußen bleiben. "Nicht weil wir sie und Dunlops Erfindung nicht mögen", wird bekräftigt, "sondern weil wir unser materialgerechtes Tempo fahren möchten, und unter uns 'Luftlosen' bleiben möchten." (tin, derStandard.at, 21.5.2014)