Florian Köhler als einer der vier Altmanns.

Foto: Lupi Spuma

Graz - Am Anfang kämpfen eine jugendliche E-Gitarre und ein unerzogenes Schlagzeug gegen Kirchenmusik vom Band an. Noch ist nicht klar, wer diesen Kampf gewinnen wird. Spätestens als der junge Andreas von seinem Vater, einem aus dem Krieg als Nazizombie heimgekehrten Devotionalienhändler, mit dem Ledergürtel malträtiert wird, fürchtete man, dass der Wille des Jungen für immer gebrochen sein muss - er wohl auch in ein paar Jahren Rosenkränze in Altötting verkaufen und seine Kinder schinden wird.

Doch es kommt anders, wie man aus der im Vorjahr erschienenen Biografie des Reisejournalisten Andreas Altmann weiß. Diese Biografie mit dem eindeutigen Titel war Grundlage für den gleichnamigen Abend auf der Probebühne im Grazer Schauspielhaus: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend. Fürs Theater hat sich der Berliner Autor Oliver Kluck im Auftrag des Schauspielhauses der Vorlage Altmanns angenommen. Dass der Titel des eigenständigen Theatertextes und jener der Biografie identisch sind, ist verwirrend. Doch das machen die schauspielerischen Leistungen von Thomas Frank, Sebastian Klein, Florian Köhler und Franz Solar, die abwechselnd alle Altmann, seine Brüder, den Vater, die Mitläuferin und die schweigend die Folter der Kinder beobachtende Haushälterin sowie die geflohene Mutter spielen, schnell vergessen.

Die vier Männer eignen sich die Figuren so authentisch, rührend und dann trotz aller Grausamkeiten sogar wieder komisch an, dass dieser Abend ein eigenständiges Kunstwerk wird. Die punktgenaue Regie von Christina Rast und die katholisch frömmelnde Bühne von Fatima Sonntag helfen dabei ganz ungemein.

Klucks Text beginnt protokollarisch mit Stationen einer Jugend, die von einem bayerischen Kaff in diverse Großstädte zum Studium und zur Therapie und schließlich in die weite Welt führt. Das Buch muss ein Befreiungsschlag für den 64-jährigen Autor Altmann gewesen sein, der sich die Premiere am Mittwochabend in Graz ansah.

Am Ende weiß man: Der Wille des jungen Andreas wurde nicht gebrochen. "Irgendeine Kraft muss dazukommen, etwas rücksichtslos Stolzes, was keine Kompromisse duldet und sich mit einer kühlen Handbewegung über die Träume der Väter hinwegsetzt", beschreibt Kluck das am Ende des Stückes. Tosender Applaus. Schwere Empfehlung. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 3./4.5.2014)