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apa/dpa/Oliver Berg
Unlängst nach sehr langer Zeit wieder einmal beim Heurigen in Wien-Grinzing gewesen. Eh nicht die bekannten Touristen-Fallen, sondern ein so genannter „Szene-Heuriger“ etwas abgelegen, direkt bei den Weingärten, mit schönem Ausblick auf die Stadt, in der Nähe einer Kirche mit dem appetitlichen Namen „Maria Schmerz“ und hauptsächlich von jungen Szene-Menschen besucht, die alle unglaublich viele unglaublich hyperaktive Kinder mit dabei hatten. Damit wären – vom tollen Wetter abgesehen – die positiven Punkte des Besuchs eigentlich auch schon wieder abgehakt, denn das Buffet ließ nicht wirklich einen deutlichen Willen zur Qualität erkennen, immerhin ging man insofern mit dem Trend, dass in der Vitrine neben den üblichen Verdächtigen auch eine Sammlung von in Italien industriell hergestellten und in Raffinerie-Olivenöl eingelegten Antipasti zu liegen kamen. Der Wein war mittelmäßig, billig war das ganze Vergnügen auch nicht unbedingt, und die Bestellung wurde bei den mit Funk-PDAs ausgestatteten Kellnerinnen abgegeben, wobei die Geräte leider nicht funktionierten, und wenn man aber direkt an der Schank bestellen wollte, hätte das bedeutet, dass der Computer zum Absturz gebracht worden wäre. Na ja, das will man ja auch nicht.

Warum, frage ich mich, ist es für Heurige so unendlich schwer, qualitativ ein bisschen mit der Zeit zu gehen? Das mit dem Wein ist heute echt kein alchimistisches Geheimnis mehr, man müsste nur einmal die alten, vergammelnden Gummi-Schläuche und modrigen Fässer rauswerfen, und es wäre schon viel getan. Dass in Wien toller Wein gedeihen kann, zeigen ja genügend Betriebe hüben und drüben der Donau. Nächster Punkt: das Buffet. Steht irgendwo geschrieben, dass da ein gewisser Cholesterol-Wert nicht unterschritten werden darf? Muss ein Heuriger zusperren, wenn einem nach dessen Besuch nicht die Galle weh tut? Gehört es zum Ehrenkodex der Heurigen-Wirten, dass gewürzmäßig ausschließlich Knoblauch, Knoblauch, Knoblauch, Kümmel und Paprikapulver Verwendung finden dürfen? „Die Leute wollen’s halt so“, hört man dann immer, und das war natürlich immer schon eines der besten Argumente für eine Qualitätsinitiative und revolutionäre Umwälzungen. Deshalb ist ja auch der Kaffee in Wiens Kaffeehäusern so köstlich, deshalb wird im Beisl ja auch immer so ein köstlicher grüner Salat ohne Öl, aber dafür mit Zuckermarinade gemacht und so weiter, weil’s die Leute so wollen.

Tradition gut und schön, aber Stagnation und Erstarrung müssen – außer man hat Verträge mit Reisebüros, die genau das Klischee unverändert haben wollen ­– echt nicht sein. Dass es auch anders geht, zeigen Buschenschenken und Heurigen in der Steiermark und Niederösterreich (Bründlmayer!). Und dabei ist Wien doch auch anders, heißt’s immer.

PS: Mit aller angebrachten Demut muss ich korrigieren, dass die Restaurantkritik in der Wochenendbeilage des Kurier „Freizeit“ natürlich nicht regelmäßig auf hellseherische Fähigkeiten zurückgreift, wie von mir salopp behauptet, sondern dass das nur ab und zu passierte und außerdem eh schon wieder ganz lang nicht. Kollegin Martina Malle war echt sauer und kündigte mir mittels sms die Freundschaft, was ich auf diesem Weg nun wieder auszubügeln versuche. Sind wir wieder gut?